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Dezember 2024

Ich möchte auch Homeoffice machen – ein Thema für die Einigungsstelle gem. § 85 BetrVG?

Hessisches Landesarbeitsgericht | Beschluss vom 06.06.2024 | Az. 5 TaBV 54/24

Die Parteien streiten über eine Beschwerde nach § 85 BetrVG. Im Betrieb existiert eine Betriebsvereinbarung zum Thema Homeoffice. Ein Mitarbeiter beschwert sich beim Betriebsrat förmlich nach § 85 BetrVG, dass er nicht die Möglichkeit hat, im Homeoffice zu arbeiten. Der Betriebsrat erachtet die Beschwerde für berechtigt, der Arbeitgeber nicht. In diesem Fall hat der Betriebsrat die Möglichkeit die Einigungsstelle anzurufen. Dieses Recht ist aber verwehrt, wenn es sich bei der Beschwerde um einen Rechtsanspruch handelt. Rechtsanspruch = Quasi alle, was klagbar ist. Und genau mit dieser Frage, musste sich das LAG vorliegend befassen.

Der Begriff des Rechtsanspruchs i.S.v. § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG erfasst jede Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, über die die Arbeitsgerichte mit einer Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs befinden können. Folglich ist die Einigungsstelle gemäß Absatz 2 Satz 1 nur zuständig, soweit es sich um Streitigkeiten handelt, die rein tatsächliche Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers zum Inhalt haben, sog. Regelungsstreitigkeiten. Ob mit der Beschwerde ein Rechtsanspruch oder eine Regelungsstreitigkeit geltend gemacht wird, ist aufgrund des Inhalts der Beschwerdebegründung zu beurteilen. Der Gegenstand der Beschwerde richtet sich ausschließlich danach, was der Arbeitnehmer zum Gegenstand gemacht hat und nicht danach, wie die Beteiligten diese im Bestellungsverfahren auslegen.

Vorliegend streiten sich die Beschwerdeführer um einen Anspruch auf Homeoffice und somit nach Auffassung des LAG um einen Rechtsanspruch, sodass der Weg in die Einigungsstelle nicht eröffnet ist.

Beweiserhebung über die Zuständigkeit einer Einigungsstelle

Hessisches Landesarbeitsgericht | Beschluss vom 30.08.2024 | Az. 5 TaBV 85/24

Nach § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG kann ein Antrag auf Bestellung einer Einigungsstelle gemäß § 76 Abs. 2 Satz 2, Satz 3 BetrVG nur zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Das Kriterium der offensichtlichen Unzuständigkeit setzt voraus, dass an der Unzuständigkeit der Einigungsstelle weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht ernsthafte Zweifel möglich sind. Im Übrigen bleibt die Klärung rechtlicher und tatsächlicher Fragen dem Einigungsstellenverfahren und ggf. einem sich anschließenden arbeitsgerichtlichen Anfechtungsverfahren vorbehalten.

KURZFASSUNG: Wenn es irgendwie sein kann, dass ein Thema dahin gehört, gibt es die erst mal. Die schaut dann schon.
Die Parteien streiten über die Besetzung einer Einigungsstelle zum Abschluss eines Sozialplans.

Bei der Arbeitgeberin handelt es sich um einen Lieferdienst, der in einer Stadt Änderungen seiner Lieferbedingungen vornehmen möchte. Der Betriebsrat ist der Auffassung, dass es sich hierbei um einen Betriebsänderung handelt, die den Abschluss eines Sozialplans erforderlich macht. Dies sieht der Arbeitgeber aber nicht so. Der Betriebsrat rief sodann das Arbeitsgericht zur Besetzung der Einigungsstelle an. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Änderung der Lieferbedingungen eine Betriebsänderung darstellt. Der Arbeitgeber hält die Einigungsstelle daher für offensichtlich unzuständig. Entscheidend in diesem Verfahren ist, wie weit der Prüfungsmaßstab des Gerichts geht, um festzustellen, ob eine Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Muss das Arbeitsgericht hierüber Beweis erheben? Nein, sagt das LAG. Hiernach sind Tatsachenfeststellungen im Ergebnis auf eine Schlüssigkeitsprüfung beschränkt, da Tatsachen, die erst durch Beweiserhebung ermittelt werden müssten, nicht offensichtlich im Sinne von § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG sind. Der eingeschränkte Prüfungsmaßstab erklärt sich aus den Besonderheiten des Bestellungsverfahrens, welches darauf gerichtet ist, den Betriebsparteien im Bedarfsfall möglichst rasch eine formal funktionsfähige Einigungsstelle zur Verfügung zu stellen. Diese Zielsetzung erfordert ein unkompliziertes Bestellungsverfahren ohne zeitraubende Klärung streitiger Tatsachenfragen und Prüfung nicht offensichtlich zu beantwortender bzw. höchstrichterlich nicht geklärter Rechtsfragen.
Der eingeschränkte Prüfungsmaßstab korrespondiert damit, dass die Einigungsstelle die Vorfrage ihrer Zuständigkeit selbst prüft und sich – wenn sie diese nicht für gegeben hält – für unzuständig zu erklären hat.

Ich möchte genauso viel Lohn wie der da

Landesarbeitsgericht Hamm | Urteil vom 27.08.2024 | Az. 6 SLA 63/24

Ein Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Lohnerhöhung aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn er mit denjenigen Arbeitnehmern vergleichbar ist, die eine freiwillige Lohnerhöhung des Arbeitgebers erhalten haben. Für die Annahme einer vergleichbaren Lage ist nicht immer automatisch dieselbe Anstellung beim selben Arbeitgeber ausreichend. ABER lediglich der Umstand, dass die betreffende Angestellte hier dieselbe Tätigkeit wie andere Arbeitnehmer mit neuem Arbeitsvertrag verrichtet, begründet für sich unter Berücksichtigung der zahlreichen Unterschiede, keine Vergleichbarkeit. Die Arbeitnehmerin hat selbst vorgetragen, dass die neuen Arbeitsbedingungen für sie nachteilig, und damit nicht vergleichbar seien. Auch eine unzulässige Maßregelung i.S.d. § 612a BGB ist zu verneinen, da nicht die zulässige Ablehnung des neuen Arbeitsvertrages durch die Angestellte ausschlaggebend dafür war, diese aus der Lohnerhöhung herauszunehmen, sondern vielmehr die Geltung verschiedener Arbeitsvertragsmodelle.

Im Ergebnis verloren, weil es doch noch Unterschiede in der Vertragsgestaltung gab, jedoch der Grundsatz bleibt bestehen: „Gibst du Vergleichbaren, musst du alle Vergleichbaren grundsätzlich einschließen“.

Arbeitnehmerüberlassung im Konzern neu gedacht

BAG | Urteil vom 12.11.2024 | Az. 9 AZR 13/24, Pressemitteilung v. 12.11.2024

Der Kläger war von 2008 bis 2020 bei der S-GmbH als Sitzfertiger angestellt und arbeitete ab Beginn seiner Tätigkeit für die S-GmbH auf dem Werksgelände der Beklagten, einem konzernverbundenen Unternehmen der S-GmbH. Der Kläger war der Auffassung, dass mit der Beklagten nach § 10 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei, da er verdeckt als Leiharbeitnehmer eingesetzt gewesen sei. Nach § 10 Abs. 1 AÜG kommt zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 AÜG, bspw. weil eine Arbeitnehmerüberlassung im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich als solche bezeichnet wurde, unwirksam ist. Dies gilt jedoch nicht bei einer Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzernunternehmen, soweit der Arbeitnehmer nicht „zum Zwecke der Überlassung eingestellt und beschäftigt ist“. = sog. Konzernprivileg.
Die Vorinstanz, das Landesarbeitsgericht Niedersachsen wies die Klage mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen des Konzernprivilegs nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG vorlägen.

Das BAG folgte der Auffassung des LAG nicht und entschied, dass das Konzernprivileg auch dann ausgeschlossen ist, wenn der Arbeitnehmer zum Zweck der Überlassung eingestellt oder beschäftigt wird. Die Konjunktion „und“ sei als Aufzählung zu verstehen. Diese Auslegung – dass die Voraussetzungen nicht kumulativ, also zusammen, vorliegen müssten – entspreche dem Willen des Gesetzgebers. Eine Beschäftigung zum Zwecke der Überlassung liege regelmäßig dann vor, wenn der Arbeitnehmer ab Beschäftigungsbeginn über Jahre hinweg durchgehend bei dem konzernverbundenen Unternehmen eingesetzt wird. Der Neunte Senat hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Das Landesarbeitsgericht wird nunmehr weitere Feststellungen zur Eingliederung und Weisungsgebundenheit des Klägers zu treffen haben, um festzustellen, ob eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung vorlag.

Nicht jeder TV ist rechtens - Aussetzung von Beiträgen zur betrieblichen Altersversorgung aus Anlass der Coronapandemie

BAG | Urteil v 26.11.2024 | Az. 3 AZR 40/24

Der Kläger war bei der Beklagten von Oktober 1997 bis zum 31.1.2022 als Flugbegleiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand für die betriebliche Altersversorgung der Tarifvertrag Lufthansa Rente Kabine Anwendung. In dem Tarifvertrag ist insbesondere geregelt, dass die Beklagte verschiedene arbeitgeberseitige Beitragszahlungen zur Altersversorgung leistet. Aus Anlass der Corona-Krise schlossen die Tarifvertragsparteien Ende Juni 2020 einen Tarifvertrag über Maßnahmen zur Eindämmung der Folgen der Pandemie. Dieser sah für seine ursprüngliche Laufzeit bis zum 31.12.2023 u.a. den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen, eine Aussetzung von Beiträgen zu verschiedenen Systemen der betrieblichen Altersversorgung, aber auch ein Einfrieren der tariflichen Vergütung vor. Die Aussetzung der Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung sollte nicht für Mitarbeiter gelten, „die innerhalb der von der Deutsche Lufthansa AG gesetzten Annahmefrist des Freiwilligenprogramms einen Aufhebungsvertrag abschließen oder auf Grund der Freiwilligenprogramme in die Versorgung ausscheiden“.

An einem ersten Freiwilligenprogramm (genannt Duldungsvereinbarung) nahm der Kläger nicht teil. Er schied erst auf der Grundlage einer zweiten Duldungsvereinbarung aus. Am 25.5.2022 schlossen die Tarifvertragsparteien eine sog. Vereinbarung zur Klarstellung des TV Krisenbeitrags und Absicherung Kabine LHA mit dem Inhalt, dass sämtliche Bezugnahmen auf ein Freiwilligenprogramm oder die Freiwilligenprogramme im Tarifvertrag ausschließlich die in der ersten Duldungsvereinbarung beschriebenen freiwilligen Maßnahmen beträfen. Der Kläger machte geltend, er komme auch in den Genuss der Rückausnahme des ersten Tarifvertrags, so dass die Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung für ihn nachzuentrichten seien.

Das ArbG wies die Klage ab. Das LAG gab ihr statt. Auf die Revision der Beklagten hob das BAG das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück.
Zwar findet die Rückausnahme der Aussetzung der Beiträge des Tarifvertrags Krisenbeitrag und Absicherung Kabine LHA auf den Kläger wegen der Klarstellungsvereinbarung vom 25.5.2022 keine Anwendung, so das BAG. Die ursprüngliche tarifliche Regelung war unklar, so dass die spätere Vereinbarung die Lage klarstellen durfte. Allerdings ist die Aussetzung der Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung nach den Grundsätzen des Senats für Tarifverträge zum Vertrauensschutz und zur Verhältnismäßigkeit zu überprüfen.

Die Tarifvertragsparteien sind danach zwar nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Wenn die tarifliche Regelung aber zu einer Beschränkung oder zu einem Eingriff in Versorgungsrechte führt, bedürfen die Tarifvertragsparteien legitimierender Gründe. Deren Gewicht hängt von den Nachteilen ab, die den Versorgungsberechtigten durch die Änderung der Versorgungsregelungen entstehen. Dies wird das LAG nunmehr u.a. zu überprüfen haben.

Ich möchte nicht nur die Gruppe, sondern auch die Stufe wissen

Bundesarbeitsgericht | Beschluss vom 16.7.2024 | Az. 1 ABR 25/23

Im vorliegenden Fall wollte ein Eisenbahnunternehmen, welches bislang nach dem mit der EVG geschlossenen Tarifvertrag bezahlten Beschäftigten auf den mit der GDL vereinbarten Tarif umstellen. Das Unternehmen informierte den Betriebsrat über die Hintergründe und teilte die künftig für die betroffenen Arbeitnehmer geltende Entgeltgruppe mit, nicht aber die Entgeltstufe.

Hierzu urteilte nun das BAG, dass das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats neben der Einordnung in eine bestimmte Entgeltgruppe auch die Zuordnung zu von Beschäftigungszeiten abhängigen Stufen erfassen kann. Daher müsse der Arbeitgeber auch darüber informieren.

Hier hänge bei den Lokführern die Einstufung von den Beschäftigungszeiten auch bei früheren Arbeitgebern ab. Um dies überprüfen zu können, brauche er auch die Information über die geplante Stufe. Daher sei die Unterrichtung des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß erfolgt, so das BAG.

Headset als IT-System

Bundesarbeitsgericht | Beschluss vom 16.7.2024 | Az. 1 ABR 25/23

Die Parteien haben hier um die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Einführung und Nutzung eines Headset-Systems gestritten. Die Arbeitgeberin, ein Unternehmen des Bekleidungseinzelhandels, hatte in einer Filiale mit mehr als 200 Mitarbeitern Headsets eingeführt, um die interne Kommunikation zu verbessern. Die Geräte, die über eine Software und eine lokale Basisstation miteinander verbunden sind, ermöglichten eine drahtlose Live-Kommunikation innerhalb der Filiale. Weder Gespräche noch Nutzungsdaten wurden aufgezeichnet, und die Headsets waren keinem bestimmten Mitarbeiter zugeordnet. Ein Personenbezug konnte aber dadurch hergestellt werden, dass z.B. ein Vorgesetzter die Stimme des Beschäftigten erkennt. Über ein zentrales Portal, das von der IT-Abteilung der Muttergesellschaft des Konzerns in Dublin betreut wurde, konnte abgelesen werden, welche Geräte aktiv sind und wann diese mit der Basisstation verbunden wurden.

Der lokale Betriebsrat der Filiale sah in der Einführung des Systems eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und verlangte die Unterlassung der Nutzung ohne seine Zustimmung. Die Arbeitgeberin hingegen argumentierte, dass das Headset-System keine Überwachungsfunktion im Sinne des Gesetzes erfülle und berief sich auf eine Gesamtbetriebsvereinbarung, die den Einsatz solcher Systeme regelt.

Das BAG musste sich also mit der Frage befassen, ob das Headset-System eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 I Nr. 6 BetrVG ist. Dies bejahte das BAG.

Entscheidend war vorliegend, dass Vorgesetzte durch das System in der Lage sind, die Kommunikation der Arbeitnehmer in Echtzeit mitzuhören und die Möglichkeit besteht, das Gespräch einem bestimmten Arbeitnehmer anhand der Stimme zuzuordnen.
Das Gericht betont, dass für die Annahme einer Überwachung keine Aufzeichnung oder Speicherung erforderlich sei. Bereits die Möglichkeit, Gespräche in Echtzeit mitzuhören und so eine indirekte Identifizierung des Arbeitnehmers durch den Vorgesetzten zu ermöglichen, erzeuge einen ständigen Überwachungsdruck, der die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer beeinträchtige.

Bei dem freigestellten Betriebsrat haben wir nicht mitzubestimmen

BAG | Beschluss vom 26.11.2024 | Az. 1 ABR 12/23 | Pressemitteilung v. 26.11.2024

Wird das Arbeitsentgelt eines von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellten Betriebsratsmitglieds erhöht, so hat der Betriebsrat dabei kein Mitbestimmungsrecht. Die Entgelterhöhung unterliegt laut Bundesarbeitsgericht nicht der Mitbeurteilung des Betriebsrats nach § 99 Betriebsverfassungsgesetz.

Der freigestellte Vorsitzende eines Betriebsrats hatte erfolgreich das Assessment Center durchlaufen. Die Arbeitgeberin, die zwei Autohäuser unterhält, nahm dies zum Anlass, ihn entsprechend einer höheren Entgeltgruppe des einschlägigen Tarifvertrags zu vergüten. Der Betriebsrat meinte, ihm stehe hierbei ein Vetorecht nach § 99 Absatz 1 BetrVG zu.
Dies sah das BAG aber nicht so. Dem Betriebsrat stehe bei der Erhöhung des Arbeitsentgelts eines freigestellten Betriebsratsmitglieds auf der Grundlage von § 37 Absatz 4 oder § 78 Satz 2 BetrVG kein Vetorecht nach § 99 BetrVG zu. Die Vorschrift sehe eine Beteiligung des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen vor, also bei der Zuordnung der vom Arbeitnehmer zu verrichtenden Tätigkeit zu einer bestimmten Gruppe der maßgebenden Vergütungsordnung.
Bei der Erhöhung des Arbeitsentgelts eines freigestellten Betriebsratsmitglieds nach § 37 Absatz 4 oder § 78 Satz 2 BetrVG erfolge jedoch keine solche Einordnung, so das BAG. Vielmehr werde die Vergütung des Betriebsratsmitglieds nach Maßgabe der in diesen Normen geregelten gesetzlichen Vorgaben angepasst. Danach sei die Vergütung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds entweder entsprechend der betriebsüblichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer oder zur Vermeidung einer Benachteiligung anzupassen, weil das Betriebsratsmitglied nur infolge der Amtsübernahme nicht in eine höher vergütete Position aufsteigen konnte. Verkürzt: Das geht das Gremium nichts an.

„VERDI hört den Warnschuss nicht“

ArbG Berlin | Urteil vom 7.10.2024 | Az. 59 Ca 8733/24 und 95 Ca 11420/24

Das Arbeitsgericht Berlin hat die ordentliche Kündigung eines Straßenbahnfahrers wegen einer auf Facebook verbreiteten Fotomontage bestätigt. Mit dieser habe er gewerkschaftlich engagierte Kollegen bedroht und so auch den Betriebsfrieden erheblich gestört.

Der Straßenbahnfahrer war Administrator einer privaten Facebook-Gruppe, die sich an Fahrpersonal der Berliner Verkehrsbetriebe richtet und etwa 1.000 Mitglieder umfasst. Im Mai 2024 verfasste er dort einen an die Mitglieder der ver.di-Tarifkommission gerichteten Kommentar. Darunter stellte er eine Fotomontage mit dem Titel „ver.di hört den Warnschuss nicht“. Zu sehen ist ein auf dem Boden kniender Mann, auf dessen Kopf der Lauf einer Pistole gerichtet ist.

Sieben Gewerkschafter fühlten sich bedroht und beschwerten sich bei ihrer Arbeitgeberin. Nach Anhörung des Personalrats kündigte diese fristlos, hilfsweise ordentlich.

Das Arbeitsgericht Berlin hat die ordentliche Kündigung bestätigt. Der Straßenbahnfahrer habe mit der Fotomontage Beschäftigte konkret bedroht. Darin liege zugleich eine erhebliche Störung des Betriebsfriedens.

Die Chatgruppe sei zwar privat, richte sich aber ausdrücklich an das Fahrpersonal der BVG. Mit rund 1.000 Mitgliedern gehe sie auch deutlich über einen „überschaubaren Adressatenkreis“ hinaus. Die in der Fotomontage liegende Bedrohung von Beschäftigten, die sich für ver.di einsetzen, sei zudem auch auf eine Wirkung nach außen angelegt gewesen. Dies sei von der Meinungsfreiheit nicht gedeckt und müsse von der Arbeitgeberin nicht hingenommen werden.

Im Rahmen der Interessenabwägung hat das Arbeitsgericht angenommen, eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sei der Arbeitgeberin noch zuzumuten. Der gekündigte Arbeitnehmer hingegen benötige als alleinerziehender Vater dreier Kinder einen größeren zeitlichen Vorlauf, um eine neue hiermit vereinbare Stelle zu finden. Dieser Umstand wie auch die 15jährige Betriebszugehörigkeit überwögen bezogen auf die ordentliche Kündigung hingegen nicht die Interessen der Arbeitgeberin. Diese müsse für den Schutz ihrer Beschäftigten sowohl bei der Ausübung deren arbeitsvertraglich geschuldeter Tätigkeiten wie auch bei der Wahrnehmung ihrer Rechte aus Artikel 9 Grundgesetz sorgen.

Sicher: Der Kollege hat doch nicht mehr alle Latten am Zaun. ABER: Warum in dem Fall nicht eine Abmahnung hätte ausgesprochen werden müssen…… ? Wir waren nicht dabei.

Good Night & Good Luck
Ihr, euer Dr. Stephan Grundmann
und Team Arbeitsrecht