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November 2023

Vorweg: „Den kenne ich, der wird wohl krank sein“ UND: Endlich keine klare Regelung….. BR – Vergütung oder Steine statt Brot

Die Möglichkeit, Krankschreibungen per Telefon zu erhalten, war während der Corona-Krise eine wichtige Option: Sie hat Arztpraxen entlastet und Infektionsgefahren – zum Beispiel in vollen Wartezimmern – reduziert. Die Regelung war nach mehrmaliger Verlängerung am 1. April 2023 ausgelaufen. 

Nach den positiven Erfahrungen soll nun eine Möglichkeit geschaffen werden, die telefonische Krankschreibung wieder zuzulassen – allerdings nur bei Krankheiten ohne schwere Symptome und nur bei Patientinnen oder Patienten, die in der jeweiligen Arztpraxis bekannt sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss soll dazu eine Richtlinie bis zum 31. Januar 2024 ausarbeiten. Der Bundestag hatte am 23. Juni 2023 eine entsprechende Regelung verabschiedet, der Bundesrat hatte diese Regelung am 7. Juli 2023 gebilligt.

Und dann kam hinten noch was zur künftigen BR-Vergütung heraus. Oh ja, die Experten haben gekreist (der Berg) und unten (eher hinten) kam Vergütungsmaus raus:

§ 37 Absatz 4 BetrVG wird um folgende Sätze ergänzt:

„Zur Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer nach Satz 1 ist auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts abzustellen, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliegt. Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln. Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer solchen Betriebsvereinbarung kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden; Gleiches gilt für die Festlegung der Vergleichspersonen, soweit sie einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt und in Textform dokumentiert ist.“

§ 78 BetrVG erhält einen neuen Satz 3: 

„Eine Begünstigung oder Benachteiligung liegt im Hinblick auf das gezahlte Entgelt nicht vor, wenn das Mitglied der in Satz 1 genannten Vertretungen in seiner Person die für deren Gewährung erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.“

Ok, der Text ist neu, aber es ist i.E. nichts praxisgerecht anders…Das Betriebsratsamt ist ein Ehrenamt, es gibt also keine „Begünstigung“ – echt?. Und Betriebsräte dürfen wegen ihrer Tätigkeit auch nicht „benachteiligt“ werden (§ 78 S. 2 BetrVG), again: echt?.
Vergleichsgruppen können die Betriebsparteien in Betriebsvereinbarungen festlegen, das steht jetzt eindeutig im Gesetz (das ist vom Bundesarbeitsgericht längst anerkannt).
„Um einen Anreiz für mehr Transparenz zu schaffen, soll außerdem bestimmt werden, dass sowohl die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in der Betriebsvereinbarung als auch die nachfolgende einvernehmliche Festlegung der konkreten Vergleichspersonen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat in Textform nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann“, heißt es in der Mitteilung des Bundesarbeitsministeriums.

„Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften begrüßen die geplanten Neuregelungen“, heißt es in einer Stellungnahme. Aber: „Teilweise bleiben die Regelungen aus Sicht des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften aber hinter den Möglichkeiten.“ So hätte eine flächendeckende Verbesserung für Betriebsräte erreicht werden können, wenn die geplanten Betriebsvereinbarungen mittels Einigungsstelle erzwingbar ausgestaltet worden wären. DENN mangels Benennung der Einigungsstelle, kann sie auch nicht angerufen werden: Ich bin auf die Gegenliebe des Arbeitgebers angewiesen. Und wenn der schlau ist, dann macht er hier mal nichts – sollen die Räte doch einzeln klagen…..

Als Nächstes muss nur der Bundestag das Gesetz beschließen, nach dem Bundesrat kann es dann veröffentlicht werden und in Kraft treten. Der genaue Zeitpunkt ist (Stand: 7.11.23) noch nicht bekannt. Erschreckend, wirklich.

Zurück geht es nur mit Betriebsrat

Landesarbeitsgericht München | Beschluss vom 10.8.2023 | Az. TaBVGa 6/23

Eine Betriebsvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit bei der Allianz Versicherung aus dem Jahr 2016 sah im Unternehmen die Home-Office-Option auf freiwilliger Basis und in Absprache mit dem Vorgesetzten vor. Der überwiegende Teil der Arbeit sollte aber in den Betriebsräumen erfolgen. Im Rahmen des Corona-Lockdowns empfahl die Arbeitgeberin den Beschäftigten, zu Hause zu arbeiten. Zum 31.3.2023 kam dann die Kehrtwende. Die Arbeitgeberin ordnete vier Präsenztage pro Monat und Präsenz bei Vorliegen bestimmter betrieblicher Gründe an. Der Betriebsrat ist der Auffassung, dass diese Anordnung der Arbeitgeberin mitbestimmungspflichtig sei.

Im Eilverfahren entschied das Landesarbeitsgericht München zugunsten des Betriebsrats. Dieser habe einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Anordnung von Präsenzpflichten. Regelungen, die von der bestehenden Betriebsvereinbarung abweichen, können nur im Mitbestimmungsverfahren geregelt werden. Zum Beispiel durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung oder in der Einigungsstelle. Denn § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG regelt zwar nicht das „Ob“ des Home-Office oder des mobilen Arbeitens, aber das „Wie“. Und die Rückkehr ins Büro wird vom „Wie“ erfasst. Nicht unerwähnt soll in diesem Zusammenhang aber auch bleiben, dass es sich hier um ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz handelt. Damit ist der Fall aber noch nicht entschieden. Entschieden wird er erst im Hauptsacheverfahren. Das Ergebnis dürfte hier aber nicht anders ausfallen.

Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten

EuGH | Pressemitteilung vom 19.10.2023 | Az. C-660/20

Teilzeitbeschäftigte werden europarechtswidrig benachteiligt, wenn der Arbeitgeber Zuschläge für Mehrarbeit sowohl an Vollzeitbeschäftigte als auch an Teilzeitbeschäftigte erst ab Überschreiten der gleichen Grenze von Arbeitsstunden zahlt – so der europäische Gerichtshof.

Ein Pilot arbeitet bei Lufthansa City Line in Teilzeit mit einer Arbeitszeit von 90 % der Vollarbeitszeit. Die Teilzeit wird durchgeführt, indem er 37 zusätzliche freie Tage im Jahr erhält. Nach den tarifvertraglichen Regelungen bei der CLH erhält man ab Überschreitung von einer bestimmten Flugstundenzahl abgestuft eine Mehrflugstundenvergütung für die zusätzlichen Flugstunden. Eine Herabsetzung der Auslösegrenzen für Teilzeitbeschäftigte ist nicht vorgesehen. Der Pilot ist der Auffassung, er habe mit Überschreitung der Auslösegrenzen, wenn diese entsprechend seinem Teilzeitfaktor herabgesetzt seien, Anspruch auf die Mehrvergütung. Er obsiegte vor dem Arbeitsgericht, in der zweiten Instanz wurde die Klage aber abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht schließlich legte dem EuGH die Sache zur Vorabentscheidung darüber vor, ob eine nationale Regelung, nach der ein Anspruch eine zusätzliche Vergütung davon abhängig gemacht wird, dass für Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte einheitlich dieselbe Zahl von Überstunden überschritten wird, gegen EU-Recht verstoße.

Der EuGH bejahte dies. Nach § 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG dürfen Teilzeitbeschäftigte in ihren Beschäftigungsbedingungen gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Eine Regelung, die die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung für Teilzeitbeschäftigte und für vergleichbare vollzeitbeschäftigte Piloten einheitlich daran geknüpft, dass dieselbe Zahl Arbeitsstunden überschritten wird, ist als eine schlechtere Behandlung der Teilzeitbeschäftigten im Sinne dieser Vorschrift anzusehen, da unter diesen Bedingungen Teilzeitbeschäftigte Piloten die für den Anspruch auf mehr Vergütung erforderlichen Auslösegrenzen entweder nicht oder deutlich schwerer als vollzeitbeschäftigte Piloten erreichen.

Arbeit auf Abruf

Bundesarbeitsgericht | Urteil vom 18.10.2023 | Az. 5 AZR 22/23

Eine mit dem Arbeitgeber vereinbarte Arbeit auf Abruf sichert nur eine Vergütung von mindestens 20 Wochenarbeitsstunden. Auch wenn in der Vergangenheit eine Arbeitnehmerin mehr gearbeitet und damit auch mehr verdient hat, steht ihr diese Vergütung bei einem späteren geringeren Arbeitszeitumfang dann nicht mehr zu, urteilte das Bundesarbeitsgericht.

Die Klägerin ist seit 2009 als Abrufkrafthelferin Einlage in einem Unternehmen der Druckindustrie beschäftigt. Mit ihrem Arbeitgeber hatte sie eine Arbeit auf Abruf vereinbart, bei der keine wöchentliche Arbeitszeit festgelegt wurde. Je nach Arbeitsanfall wurde sie in unterschiedlichem zeitlichem Umfang zur Arbeit gerufen.

Das Teilzeit- und Befristungsgesetz legt bei einer Arbeit auf Abruf fest, dass eine Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich als vereinbart gilt. Wird ein Beschäftigter weniger abgerufen, kann er dennoch die Vergütung für 20 Wochenstunden verlangen. Hier hatte die Arbeitnehmerin von 2017-2019 mit durchschnittlich 103,2 Stunden monatlich mehr gearbeitet und dies auch vergütet bekommen. Als sie in den Jahren 2020 und 2021 weniger abgerufen wurde, zahlte ihr Arbeitgeber entsprechend weniger. Die Frau meinte, dass wegen des jahrelang höheren Arbeitsaufkommen der Arbeitgeber daran nun gebunden sein.

Dem widersprachen jedoch sowohl das Landesarbeitsgericht Hamm als nun auch das BAG. Nach den gesetzlichen Regelungen gilt bei einer Arbeit auf Abruf einer Arbeitszeit von 20 Wochenstunden. Nur weil ein Arbeitgeber in einem gewissen Zeitraum eine Beschäftigung häufiger abgerufen hat, entsteht daraus kein Recht, dass dies auch künftig so sein soll. Für eine geänderte Arbeitszeit brauche es eine klare Vereinbarung, die hier fehle.

So viel hast du doch gar nicht gearbeitet

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern | Urteil vom 28.9.2023 | Az. 5 Sa 15/23

Im vorliegenden Fall streiten sich die Parteien neben der Zahlung von restlichen Arbeitsentgelt und Urlaubsabgeltung insbesondere noch über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt für Zeiten im Home Office.

Die Klägerin nahm am 01.12.2021 bei der Beklagten eine Tätigkeit als Pflegemanagerin und leitende Pflegefachkraft in der Tagespflege bzw. der ambulanten Pflege auf. Ihr war es hierbei gestattet, im Home Office zu arbeiten, wobei die Arbeitszeiten monatlich in einer vorgesehenen Tabelle nach Arbeitsbeginn und Arbeitsende zu erfassen waren. Die Klägerin hatte insbesondere die Aufgabe, das Qualitätshandbuch und andere für das Pflegemanagement erforderlichen Unterlagen zu bearbeiten. Nachdem die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.5.2022 gekündigt hatte, machte die Klägerin noch Anspruch auf Arbeitsentgelt sowie eine Urlaubsabgeltung geltend. Die Arbeitgeberin erklärte hier gegen die Aufrechnung, da sie der Auffassung war, dass sie einen Anspruch auf Rückzahlung von Gehalt habe. Zur Begründung führte sie aus, dass die Klägerin Arbeitszeiten im Home-Office von insgesamt 300,75 Stunden angegeben habe, ohne irgendein objektivierbaren Arbeitsnachweis hierfür vorzulegen. Nachdem das Arbeitsgericht in der ersten Instanz entschieden hat, dass die Klägerin nicht zur Rückzahlung von Arbeitsentgelt verpflichtet sei, blieb die Berufung der Beklagten insoweit auch ohne Erfolg.

Nach der Auffassung des Landesarbeitsgerichts trage grundsätzlich der Arbeitgeber die Darlegung- und Beweislast, dass und in welchem Umfang der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht nicht erfüllt. Auf den entsprechenden Prozess Vortrag des Arbeitgebers habe der Arbeitnehmer sodann substantiiert zu erwidern. Das gelte auch bei Arbeitsleistungen im Home-Office

Vorliegend hat die Arbeitgeberin nicht dargelegt, in welchem Umfang die Klägerin im Home-Office ihre Arbeitspflicht nicht erfüllt und keine Arbeitsleistungen erbracht habe. Die Arbeitgeberin haben weder eine Nichtleistung im Umfang von 300,75 Stunden noch in geringerer Anzahl belegt. Die Arbeitnehmerin habe im Home Office verschiedene Arbeitsleistung erbracht, was sich insbesondere aus E-Mails ergebe. Soweit E-Mail Anlagen beigefügt waren, lassen diese auf weitere vorangegangene Arbeitsleistung schließen. Unerheblich sei, ob die Klägerin die Arbeit in der gewünschten Zeit oder in dem gewünschten Umfang erledigt. Ein Arbeitnehmer genüge seiner Leistungspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet, so die Richter des Landesarbeitsgerichts.

Personalfragebögen und das Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats bei der Stellenbesetzung

Landesarbeitsgericht Düsseldorf | Beschluss vom 2.8.2023 | Az. 12 Ta BV 46/22

Bei einer Gießerei mit ca. 970 Mitarbeitern gibt es einen 15-köpfigen Betriebsrat. Die Arbeitgeberin hatte im März 2022 eine Stelle als Koordinator Elektrotechnik intern ausgeschrieben. Darauf bewarben sich vier Mitarbeiter. In der Folgezeit fanden Gespräche mit den Bewerbern statt, bei denen Interviewbögen verwendet wurden. Darin waren Punkte für einzelne Kriterien hinsichtlich der einzelnen Bewerber aufgeführt, die zu einer aufgeführten Gesamtpunktzahl führten. Ebenso befanden sich in den Bögen weitere Erläuterungen zu den einzelnen Bewerbern. Eine Zustimmung des Betriebsrats zur Verwendung der Interviewbögen lag nicht vor. Nach den Gesprächen entschied sich die Arbeitgeberin für den Mitarbeiter Herrn J. Sie beantragte deshalb beim Betriebsrat die Zustimmung zur Versetzung des Mitarbeiters. Sie teilte dem Betriebsrat den Ablauf des Bewerbungsverfahrens mit und fügte die ausgefüllten Interviewbögen bei. Der Betriebsrat verweigerte jedoch seine Zustimmung zu der geplanten Versetzung. Er war der Ansicht, er sei bereits nicht unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen nach § 99 Abs. 1 BetrVG unterrichtet worden. Die Verwendung der Bögen in dem Bewerbungsgespräch verletze seine Mitbestimmungsrechte nach § 94 BetrVG. Außerdem verstoße die Versetzung gegen die Betriebsvereinbarung 02/2003. Diese regele ein Schichtsystem mit fünf Schichten, was nicht mehr gewährleistet sei. Die Arbeitgeberin beantragte daraufhin beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu der Versetzung.

Das Arbeitsgericht gab dem Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin statt. Die hiergegen von dem Betriebsrat eingelegte Beschwerde wurde vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Allerdings wurde die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Das BAG entschied, dass das Arbeitsgericht die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung des Mitarbeiters J. In die Position als Koordinator Elektrotechnik zurecht ersetzt hat. Es lag kein Zustimmungsverweigerungsgrund gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG vor. Zwar hatte sich der Betriebsrat in genügender Weise auf einen Verstoß gegen § 94 BetrVG bezogen. Ein solcher Verstoß begründet aber keinen Zustimmungsverweigerungsgrund gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Verwendet die Arbeitgeberin bei der Stellenbesetzung nicht mitbestimmte Personalfragebögen oder Beurteilungsgrundsätze im Sinne von § 94 BetrVG, verstößt er zwar gegen § 94, dies begründet aber kein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.

Es lag auch kein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG (Nachteile des Mitarbeiter) vor. Selbst wenn man von einer Leistungsverdichtung ausgehen wollte, wäre dies durch betriebliche Gründe gerechtfertigt. Das wird sehr gerne bei der Verweigerung durch den BR übersehen: Nach dem Gesetzeswortlaut des § 99 kann eine Benachteiligung durch betriebliche Gründe gerechtfertigt sein. Und leider: Die Rechtsprechung gibt dem Arbeitgeber hier einen weiten Spielraum….. Egal: Never give up!

Es war doch nur für das Osterfeuer

Landesarbeitsgericht Köln | Urteil vom 6. Juli 2023 | Az. 6 Sa 94/23

Ein Produktionsleiter wurde gekündigt, nachdem er drei Holzpaletten für ein Osterfeuer auf einem Sportplatz verbrennen ließ. Diese Europaletten entnahm er seinem Betrieb. Die Arbeitgeberin sprach deshalb die fristlose Kündigung des Produktionsleiters aus. Das Landesarbeitsgericht Köln hielt die außerordentliche Kündigung für unverhältnismäßig, da eine Abmahnung ausgereicht hätte.

Zwar sei das Verhalten des Arbeitnehmers an sich geeignet als wichtiger Grund eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 BGB zu rechtfertigen. Zugunsten des beklagten Arbeitgebers nahm das Gericht zunächst an, dass es sich um neuwertige Paletten handelte. Allerdings sei der Wert der Paletten mit ca. 50 € zu gering, die Tat zu wenig heimlich und das Gesamtbild der Tat – verbrennen der Paletten beim Osterfeuer – zu banal. Mangels des Vorliegens einer einschlägigen Abmahnung sei der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung im Ergebnis unverhältnismäßig. Und auch vor dem Ausspruch einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung gemäß § 1 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz hätte als milderes Mittel nach langjähriger beanstandungsfreier Beschäftigung zunächst eine Abmahnung ausgesprochen werden müssen.

Stationärer Aufenthalt ist kein unentschuldigtes Fehlen

Landesarbeitsgericht Berlin Brandenburg | Urteil vom 13. Juli 2023 | Az. 10 Sa 625/23

Im vorliegenden Rechtsstreit geht es um die fristlose Kündigung einer Mitarbeiterin.

Diese war nach ihrem Urlaub am 18. Juli 2020 erkrankt und zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus aufgenommen worden. Darüber, ob der Arbeitgeber in der Folge durch eine Freundin oder durch die Tochter der erkrankten Mitarbeiterin über den Klinikaufenthalt informiert wurde, waren sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer uneins. Am 10. August 2020 informierte der Sozialdienst des Krankenhauses den Arbeitgeber per E-Mail über die stationäre Behandlung. Am darauffolgenden Tag kündigte der Arbeitgeber der Mitarbeiterin fristlos. Er argumentierte, sie habe unentschuldigt gefehlt und sei ihrer Pflicht zur unverzüglichen Anzeige der Erkrankung und zur fristgemäßen Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht nachgekommen. Der Arbeitgeber sah dies als gravierende Pflichtverletzung an.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg beurteilt die fristlose Kündigung als unverhältnismäßig. Arbeitnehmer sind im Krankheitsfall grundsätzlich dazu verpflichtet, ihren Arbeitgeber über die Erkrankung zu informieren und ihm eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zukommen zu lassen. Es handelt sich dabei aber nur um Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Ein Verstoß gegen vertragliche Nebenpflichten kann allenfalls dann eine fristlose Kündigung rechtfertigen, wenn das Gewicht der Pflichtverletzung durch besondere Umstände erheblich verstärkt wird. Diese lagen nach Auffassung des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg im verhandelten Fall nicht vor.

Ich habe Anspruch auf Tantiemen

Landesarbeitsgericht Schleswig Holstein | Urteil vom 11.7.2023 | Az. 2 Sa 150/22

Ein Chefarzt hatte mit dem Krankenhausträger in einem Chefarztdienstvertrag vereinbart, dass er neben seinem festen Chefarztgehalt auch noch eine erfolgsabhängige Tantieme ausgezahlt bekommt, wenn er ein vereinbartes Ziel erreicht. Das Ziel war aber noch nicht konkret in dem Vertrag vereinbart. Es sollte zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt zwischen dem Chefarzt und dem Krankenhausträger (jeweils) vereinbart werden.

Der Zielwert der Tantieme betrug 70.000 €. In den Jahren 2019-2020 zahlte der Krankenhausträger nach jeweiliger Vereinbarung eine Tantieme an den Chefarzt aus. Für das Jahr 2021 kam es aber trotz intensiver Verhandlungen und eines Vorschlags durch den Chefarzt zu keiner Übereinkunft. Der Krankenhausträger zahlte für das Jahr 2021 schließlich eine Tantieme von 7000 € aus. Deshalb verlangte der Chefarzt von dem Krankenhausträger schließlich eine Zahlung von 63.000 € als Schadensersatz wegen unterlassener Zielvereinbarung.

Das Arbeitsgericht gab der Zahlungsklage des Chefarztes statt. Dagegen legte der Beklagte Krankenhausträger Berufung ein. Die Beklagte hat unter anderem dargelegt, dass der vom klagenden Chefarzt unterbreitete Gegenvorschlag für die Beklagte nicht akzeptabel gewesen sei, sodass die Verhandlungen über die Zielvereinbarung für gescheitert erklärt worden seien und die Beklagte die Ziele korrekt nach billigem Ermessen auf 7000 € festgesetzt habe. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein verurteilte das Krankenhaus zur Zahlung der Tantieme. Das Krankenhaus habe seine Verpflichtung zum Abschluss der Zielvereinbarung verletzt. Es habe zu spät einen Vorschlag angekündigt. Der Chefarzt selbst sei aufgrund der Ankündigung der Beklagten nicht verpflichtet gewesen, von sich aus einen Vorschlag zu unterbreiten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang noch zu wissen, dass das Krankenhaus nach dem Chefarztvertrag dem Arzt einen Vorschlag unterbreiten musste. Dieser Verpflichtung ist das Krankenhaus nicht nachgekommen. Der Chefarzt müsse, da er schon einen Gegenvorschlag unterbreitete, auch keine weiteren Anstrengungen unternehmen, um eine Einigung herbeizuführen. Habe der Arbeitgeber schuldhaft kein Gespräch mit dem Arbeitnehmer über eine Zielvereinbarung geführt, so sei die für den Fall der Zielerreichung zugesagte Tantieme bei der abstrakten Schadensberechnung Grundlage für die Ermittlung des dem Arbeitnehmer zu ersetzenden Schadens. Es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Arbeitnehmer vereinbarte Ziele erreicht hätte, wenn nicht besondere Umstände diese Annahme ausschließen. Solche besonderen Umstände habe der Arbeitgeber dazu tun und gegebenenfalls zu beweisen. Diesen Beweis habe die Beklagte nicht geführt.

Wegweisende Entscheidung für den Außendienst!!

Good Night & Good Luck
Ihr, euer Dr. Stephan Grundmann
und Team Arbeitsrecht