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September 2023

Kontrolle ist immer besser….. und der Kraftriegel ist zurück

Die Deutsche Bank testet den Einsatz von künstlicher Intelligenz, um im Handelsbereich mögliche Anzeichen von Fehlverhalten frühzeitig zu erkennen. Dafür soll die KI zum Beispiel den Tonfall von Telefongesprächen und andere subtile Kennzeichen analysieren. Die Bank prüft das maschinelle Lernen von Google Cloud als Teil einer umfassenderen Erkundung der Einsatzmöglichkeiten von KI, sagte Technikvorstand Bernd Leukert in einem Interview von Bloomberg News. Wie schnell das System eingeführt werden könnte, wollte er nicht sagen. Kann er auch deswegen nicht, weil so ein klein wenig Mitbestimmung, Datenschutz und Schutz von Persönlichkeitsrechten im Wege steht????!!! Die Bank untersucht auch, wie Sprachmodelle oder generative KI — die Technologien hinter Anwendungen wie ChatGPT — beim Support von Kunden und Mitarbeitern sowie bei der Programmierung helfen können. Bislang können die Instrumente bei der Deutschen Bank zwar Wörter analysieren, nicht aber Veränderungen im Tonfall oder Anzeichen von Zynismus. Das neue System sollte beispielsweise in der Lage sein, zu erkennen, ob ein Händler, der “Das bleibt unter uns” sagt, dabei über harmlose Themen wie eine Überraschungsparty spricht, oder ob es um fragwürdigere Aktionen geht.

“Wenn man ein Instrument hat, das den Tonfall versteht und darauf hinweist, und nicht nur auf verdächtige Wörter, kann man eine viel bessere Kontrolle ausüben”, sagte Leukert. “Es hat das Potenzial, die Governance auf eine ganz andere Ebene zu heben.” Der Mann weiß ja nicht, was er da sagt…. Unfassbar!!!

„Die Deutsche Bank trainiert die KI mit Aufzeichnungen tatsächlich geführter Gespräche zwischen Händlern, so dass sie mit der verwendete Sprache und den Gesprächsnormen vertraut wird. Die Software wird die Analysten auf die Bereiche hinweisen, die von Interesse sind — die endgültigen Entscheidungen über das weitere Vorgehen werden aber weiterhin Menschen treffen.“

Ihr Verschwinden hatte vor zwei Jahren einen bundesweiten Aufschrei ausgelöst – jetzt ist sie wieder da: Die Currywurst und andere Fleisch- und Fischgerichte stehen seit einigen Wochen wieder auf der Speisekarte der Kantine des VW-Stammwerkes in Wolfsburg. Man folge damit einem „Wunsch der Belegschaft“. Das Betriebsrestaurant im Markenhochhaus ist eine von vielen Kantinen im Wolfsburger Volkswagen-Werk mit seinen mehr als 60.000 Beschäftigten. In den meisten von ihnen wurde die Currywurst auch in den vergangenen Jahren weiter angeboten und lag Berichten zufolge auch auf dem Spitzenplatz der beliebtesten Gerichte. Im Markenhochaus, wo unter anderem der Vorstand der Marke VW untergebracht ist, sollte das Angebot dagegen stärker auf gesündere und vegetarische Gerichte ausgerichtet werden – auf Wunsch der Belegschaft, wie es auch damals hieß sowie aus Nachhaltigkeitsgründen. Fleisch gab es hier nur noch gelegentlich. 

Auch wenn die Currywurst weiter für alle VW-Beschäftigten verfügbar war, wurde die Entscheidung kontrovers diskutiert. Gerhard Schröder, der als niedersächsischer Ministerpräsident in den 90er Jahren auch Aufsichtsratsmitglied von VW war, „Wenn ich noch im Aufsichtsrat von VW säße, hätte es so etwas nicht gegeben.“ Und weiter: „Currywurst mit Pommes ist einer der Kraftriegel der Facharbeiterin und des Facharbeiters in der Produktion.“ Der Alt-Kanzler startete gar den Aufruf „#rettetdiecurrywurst“. Eine großangelegte Mitarbeiter-Befragung zum Thema Kantinenessen hat nun offenbar ganz andere Wünsche zutage befördert, als zwei Jahre zuvor angeführt wurden. Jedenfalls ist das Fleisch, einschließlich der Currywurst, seit dem 7. August zurück im Markenhochhaus.  

Berechtigter Widerspruch bei Verstoß gegen Ausschreibungsfrist

Arbeitsgericht Köln | Beschluss vom 13.1.2023 | Aktenzeichen 23 BV 67/22

Im vorliegenden Fall schrieb eine Arbeitgeberin eine offene Stelle unter dem 18.2.2022 mit einer Bewerbungsfrist bis zum 18.3.2022 aus. Für die Stellenausschreibungen galt im Unternehmen eine Gesamtbetriebsvereinbarung. Diese regelte, dass jeder Arbeitsplatz für vier Wochen intern auszuschreiben ist. Die Ausschreibungsfrist begann mit Eingang der Ausschreibung beim Betriebsrat. Die Ausschreibung leitete die Arbeitgeberin dem Betriebsrat aber erst am 24.2.2022, also rund drei Wochen vor Ende der Ausschreibungsfrist, zu.

Der Betriebsrat verweigerte daraufhin seine Zustimmung zur Einstellung eines Bewerbers. Die Arbeitgeberin beantragte, die Zustimmung zu ersetzen. Vor dem Arbeitsgericht Köln berief sie sich darauf, dass es sich vorliegend nur um einen Obliegenheitsverstoß handele. Dadurch sei der Betriebsrat nicht zum Widerspruch gegen die Einstellung berechtigt.

Das Arbeitsgericht Köln konnte sich dieser Rechtsauffassung aber nicht anschließen. Der Verstoß gegen die in der Betriebsvereinbarung geregelten Fristen berechtige den Betriebsrat zum Widerspruch, so die Kölner Richter. Das war nun wirklich nicht verwunderlich, denn es handelte sich um einen Verstoß gegen eine Betriebsvereinbarung. Damit bestand ein klarer Verweigerungsrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.

Erst richtig versuchen, dann in die Einigungsstelle – Landesarbeitsgericht Nürnberg, Beschluss vom 17.7.2023, Aktenzeichen 4 TaBV 10/23

Die Beteiligten, hier also Betriebsrat und Arbeitgeber, streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle zum Verfahren der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen zu psychischen Belastungen und zum Raumklima. Dabei kam es allerdings nur zu einer gemeinsamen Sitzung. Bei dieser ging es ausschließlich darum, dass der Betriebsrat für sich die Notwendigkeit gesehen hat, einen Sachverständigen hinzuzuziehen, was der Arbeitgeber als nicht notwendig angesehen hat.

Der Betriebsrat brach daraufhin die Verhandlungen ab und stellte beim Arbeitsgericht den Antrag, eine Einigungsstelle einzusetzen. Das Arbeitsgericht Bayreuth folgte diesem Antrag zunächst. Dagegen wandte sich der Arbeitgeber mit seiner Beschwerde zum Landesarbeitsgericht. Insbesondere sei nach wie vor ein externer Sachverständiger nicht erforderlich, weil ausreichendes Fachwissen vorhanden sei.

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg den Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen. Das Arbeitsgericht habe vorliegend die Einigungsstelle zu Unrecht bestellt, da die Anträge unzulässig seien. Entgegen der Einschätzung des Arbeitsgerichts könne nicht davon ausgegangen werden, dass bereits der Streit über die Ausgestaltung des Verfahrens weiterer Verhandlungen – ohne jegliche inhaltliche Positionierung der die Einsetzung einer Einigungsstelle beantragenden Partei – ein hinreichendes Rechtsschutzbedürfnis für das Verfahren nach § 100 Arbeitsgerichtsgesetz begründe. Ein solches Rechtsschutzbedürfnis fehlt grundsätzlich dann, wenn nicht zuvor der nach § 74 Abs. 1 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz vorgesehene Versuch einer Einigung unternommen und Vorschläge für die Beilegung der Meinungsverschiedenheit gemacht worden sind („Sie haben über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln und Vorschläge für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu machen“). Das Arbeitsgericht kann erst angerufen werden, wenn sich entweder die Gegenseite Verhandlungen über den Regelungsgegenstand ausdrücklich oder konkludent verweigert hat oder mit Verständigungswillen geführte Verhandlung zwar stattgefunden haben, jedoch gescheitert sind.

Gib mir die Gesprächsprotokolle

Landesarbeitsgericht Berlin | Urteil vom 30.3.2023 | Aktenzeichen 5 Sa 1046/22

Im vorliegenden Fall stritt der Kläger mit seinem Arbeitgeber über seinen Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 Datenschutzgrundverordnung sowie über Schadensersatz vor dem Landesarbeitsgericht Berlin. Hintergrund dieses Konflikts war eine Beschwerde einer Mitarbeiterin aus dem Team des Klägers, die Mobbingvorwürfe gegen ihn erhob. Es folgten erfolglose Schlichtungs- und Mediationsversuche. Der Arbeitgeber führte Interviews mit dem Team durch, zum Führungsstil des Klägers und erteilte ihm eine teilweise negative Leistungsbewertung. Der Kläger verlangte Auskunft über seine Daten und Kopien der Gesprächsprotokolle. Schließlich wurden ihm die Information im Mai 2022 zur Verfügung gestellt. Die Kopien beinhalteten auch die geschwärzten Gesprächsprotokolle der von der Beklagten geführten Interviews. Der Kläger erhob Klage wegen unvollständiger Erteilung der Auskunft.

Nach bisheriger Rechtsprechung wurde regelmäßig vertreten, dass Anträge auf Auskunft und Erteilung einer Datenkopie nicht auf Art. 15 Datenschutzgrundverordnung gestützt werden können, wenn das Auskunftsverlangen auf andere als datenschutzrechtliche Belange gestützt wird. Hier verlangte der Kläger Auskunft, um sich gegen Mobbingvorwürfe zu schützen.

Laut dem Landesarbeitsgericht Berlin ist der bisherigen Rechtsauffassung nicht zu folgen. Dies wird unter anderem damit begründet, dass der Wortlaut des Art. 15 Datenschutzgrundverordnung den Auskunftsanspruch nicht von einer entsprechenden Motivation des Betroffenen abhängig mache und verlange, sein Begehren auf Auskunftserteilung zu begründen. Dies deutet darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber es dem Betroffenen überlassen habe, aus welchen Gründen er Auskunft verlange. Hierfür spreche auch, dass sich der Betroffene auch dann der jeweiligen Datenverarbeitung bewusst werde und die Rechtmäßigkeit überprüfen könne, wenn er die Auskunft zu einem anderen Zweck verlange. Der Zweck der Vorschrift könne damit unabhängig von der Motivation des Betroffenen erreicht werden. Vor diesem Hintergrund sprach das Landesarbeitsgericht Berlin dem Kläger die betroffenen Auskünfte zu.

Kündigung wegen Verweigerung einer ärztlichen Untersuchung

Landesarbeitsgericht München | Urteil vom 23.2.2023 | Aktenzeichen 3 Sa 419/22

Die Klägerin war bei der Beklagten rund zehn Jahre beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Anwendung. Wegen hoher Fehlzeiten forderte die Beklagte die Klägerin auf, einen Termin beim betriebsärztlichen Dienst wahrzunehmen. Dieser fand statt, erbrachte jedoch kein Ergebnis. Als die Klägerin kurz darauf wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit der Arbeit fernblieb, forderte sie die Beklagte nach fünf Monaten erneut auf, sich gemäß § 3 Abs. 4 des Tarifvertrages beim betriebsärztlichen Dienst zu melden und aussagekräftige Befunde etc. mitzubringen, andernfalls müsse sie mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen rechnen. Nachdem die Klägerin trotz weiterer Aufforderungen ihrer Verpflichtung aus dem zuvor genannten Tarifvertrag nicht nachkam und eine entsprechende ärztliche Bescheinigung nicht vorgelegt hat, hörte die Beklagte den Betriebsrat an und kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich aus verhaltensbedingten Gründen. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, das Landesarbeitsgericht hob das Urteil nach Berufung der Beklagten aber auf.

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts war die Klägerin verpflichtet, sich vom betriebsärztlichen Dienst ihre Arbeitsunfähigkeit bescheinigen zu lassen. Der Arbeitgeberin sei durch § 3 Abs. 4 Satz 1 des Tarifvertrages das Recht zugestanden, überprüfen zu lassen, ob die Klägerin gesundheitlich in der Lage ist, ihren arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen. Das Landesarbeitsgericht sah es im Gegensatz zum Arbeitsgericht als erwiesen an, dass die Klägerin innerhalb der gesetzten Frist nicht durch Vorlage der ärztlichen Bescheinigung nachgewiesen hat, dass sie ihre arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit verrichten kann, obwohl die Voraussetzungen vorgelegen haben. Damit habe sie vorsätzlich und rechtswidrig eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht verletzt, sodass die durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingte Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz sozial gerechtfertigt sei. Zwar scheide eine Kündigung aus, wenn schon mildere Mittel für eine Abmahnung geeignet wären, eine zukünftige Vertragstreue des Arbeitnehmers zu bewirken, allerdings nur dann, wenn nicht vor Ausspruch der Kündigung bereits erkennbar sei, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten nicht ändern werde. Das sei bei der Klägerin der Fall, einer vorherigen Abmahnung bedurfte es daher ausnahmsweise nicht. Die Klägerin sei bereits im Vorfeld mehrfach durch die Beklagte darauf hingewiesen worden, dass sie mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen rechnen müsse, falls sie den betriebsärztlichen Termin nicht wahrnehmen und die geforderte Bescheinigung nicht vorlege. Aufgrund der Schwere des Pflichtenverstoßes in Bezug auf die Mitwirkungspflichten und der gegebenen Umstände fiel auch die Interessenabwägung zulasten der Klägerin aus. Die Kündigung war somit wirksam.

Auch ohne Approbation will ich Kohle haben

Arbeitsgericht Berlin | Urteil vom 28.6.2023 | Aktenzeichen 14 Ca 3796/22

Der Kläger war seit 2016 befristet bis Ende Juni 2022 als Arzt in einem großen Berliner Krankenhaus angestellt. Im März 2018 ordnete das Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit des Landes Brandenburg das Ruhen der Approbation des Klägers wegen Zweifeln an seiner gesundheitlichen Eignung an. Dennoch war der Kläger in der Folgezeit an 1053 Operationen beteiligt, davon an 444 als erster Operateur.

Der Kläger hatte die Approbationsurkunde nicht zurückgesandt, war zwischenzeitlich verzogen und behauptete, bis Ende Februar 2022 keine Kenntnisse von der Anordnung gehabt zu haben. Ende März informierte er schließlich das Krankenhaus. Dieses zahlte ihm für den Monat März 2022 daraufhin keine Vergütung.

Mit Recht, urteilte das Arbeitsgericht Berlin. Das Krankenhaus hat obendrein Anspruch auf Rückzahlung der in den letzten sechs Monaten gezahlten Nettovergütung. Der Kläger habe die von ihm geschuldete Arbeitsleistung aufgrund des Ruhens der Approbation nicht erbringen können. Ferner habe das Krankenhaus die Zahlungen in der Vergangenheit ohne rechtlichen Grund geleistet und sei daher zur Rückforderung berechtigt. Eine Verrechnung mit den in dieser Zeit tatsächlich erbrachten Leistung des Klägers erfolgte nicht, da diese nicht mit einem positiven Wert zu bemessen sein. Dem Krankenhaus verbleiben im Hinblick auf potentielle Regressforderungen kein zu berücksichtigender Vorteil durch das Tätigwerden des Klägers.

Dass der Kläger keine Kenntnis von der Anordnung gehabt haben will, hielt das Arbeitsgericht für unbeachtlich, da die Unkenntnis jedenfalls auf ein pflichtrichtiges Verhalten des Klägers zurückzuführen sei.

Schriftformerfordernis einer Turboklausel – Falsch gelöst Herr Anwalt

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern | Urteil vom 9.5.2023 | Aktenzeichen zwei SA 146/22

Im vorliegenden Fall war ein Küchenleiter im Juni 2021 gekündigt worden und hatte sich mit seinem Arbeitgeber im Wege eines gerichtlichen Vergleichs auf das Ende des Arbeitsverhältnisses zum 30.11.2021 geeinigt. Bis zur Beendigung war eine Freistellung mit verringertem Gehalt vereinbart worden. Außerdem hatte der Vergleich eine sogenannte Turboklausel enthalten, wonach der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vorzeitig durch schriftliche Erklärung beenden konnte. In diesem Fall sollte der Arbeitnehmer die entfallenden Gehälter als Abfindung erhalten. Der Anwalt des betroffenen Küchenleiters hatte die vorzeitige Beendigung seines Mandanten dem Anwalt des Arbeitgebers mitgeteilt. Dieses Schreiben wurde digital durch das besondere elektronische Anwaltspostfach versendet. Der Arbeitgeber hatte die Abfindung nicht bezahlt. Das Arbeitsgericht Stralsund hat den Arbeitgeber mit Urteil zur Zahlung der Abfindung verurteilt und die Anwendung des § 623 BGB verneint. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, sah die Sache jedoch anders. Es hat die Ansicht vertreten, dass § 623 BGB Anwendung findet und die vorzeitige Beendigung als Kündigung nach § 623 BGB schriftlich erklärt werden müsse. Die vorzeitige Beendigung stelle ein dem § 12 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz vergleichbares Sonderkündigungsrecht dar. § 623 BGB sei auf jedes Arbeitsfeld anwendbar und nicht unabdingbar. Für Kündigungen sei der Ausschluss der elektronischen Form vorgeschrieben. Soll die gesetzlich vorgeschriebene Form durch die elektronische ersetzt werden, muss der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Diese Ersetzung ist jedoch nur möglich, wenn die elektronische Form nicht durch Gesetz ausgeschlossen ist, was im Rahmen der Kündigung nicht der Fall ist. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern führte weiter aus, dass die Nutzung des elektronischen Anwaltspostfach der Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren dienen soll und somit eine andere Zielsetzung als die Formvorschriften des BGB verfolge.

Freistellungsanspruch auch ohne Rechnung

Bundesarbeitsgericht | Beschluss vom 8.3.2023 | Aktenzeichen sieben ABR 10/22

Im zu entscheidenden Fall hatten der Betriebsrat und der Arbeitgeber eine Einigungsstelle zum Thema Dienstplangestaltung gebildet. Hierfür beauftragte der Betriebsrat einen Rechtsanwalt als Verfahrensbevollmächtigten. Der Rechtsanwalt ist Geschäftsführer der C Agentur. Mit dieser schloss der Betriebsrat eine Honorarvereinbarung ab. Der Anwalt nahm an dem Einigungsstellenverfahren teil und stellte anschließend eine Rechnung an die Arbeitgeberin. Diese beglich die Rechnung nicht. Der Betriebsrat habe nicht den Rechtsanwalt, sondern die C Agentur beauftragt. Außerdem habe der Betriebsrat keine Rechnung erhalten. Der Betriebsrat machte seine Kosten deshalb vor dem Arbeitsgericht gelten. Dies lehnte den Anspruch, ebenso wie das Landesarbeitsgericht ab.

Das Bundesarbeitsgericht sah die Sache aber anders. Für den Anspruch auf Kostenfreistellung nach § 40 Betriebsverfassungsgesetz ist es nicht erforderlich, dass der Betriebsrat eine Rechnung bekommt.

Der Anspruch entsteht bereits mit der Begründung der entgeltlichen Verbindlichkeit. Das Fehlen einer Rechnung kann den Arbeitgeber allenfalls dazu berechtigen, die Zahlung zu verweigern. Es verhindert aber nicht die Entstehung des Anspruchs an sich. Deshalb war es nicht schlimm, dass der Rechtsanwalt die Rechnung nicht an den Betriebsrat, sondern die Arbeitgeberin adressiert hat. Das Bundesarbeitsgericht hat den Anspruch des Betriebsrats auf Kostenfreistellung im Ergebnis aber trotzdem abgelehnt. Grund dafür ist, dass der Betriebsrat nicht den Rechtsanwalt, sondern die C Agentur beauftragt hat.

Da habe ich die Trauerfeier wohl vergessen

Arbeitsgericht Lübeck | Urteil vom 15.6.2023 | Aktenzeichen 1 Ca 323/23

Ein Kirchenmusiker war mit der Vorbereitung eines Kindermusicals so sehr beschäftigt, dass er vergaß, auf einer Trauerfeier in seiner Gemeinde zu spielen. Der Termin für die Trauerfeier war zusammen vereinbart worden, die Musikauswahl schon vom Pfarrer auf den Anrufbeantworter des Kirchenmusikers gesprochen – doch selbst den hat der Musiker vor lauter Arbeit kaum noch abgehört. Es sei, wie er später sagte, so intensiv mit den Vorbereitungen des von ihm selbst initiierten und nicht von der Gemeinde angewiesene Musicals befasst gewesen, dass er kaum noch in seinen Kalender geblickt habe. An dem besagten Tag nahm er weder den Anruf des Pfarrers noch den des Beerdigungsunternehmens an. Dies war allerdings nicht das erste Fehlverhalten des Kirchenmusikers. Drei Abmahnungen waren ihm innerhalb weniger Monate bereits ausgesprochen worden. Die Gemeinde hörte nach dem Vorfall die Mitarbeitervertretung an, erörterte die Situation während der Sitzung des Gemeinderates, dann erst erfolgte die außerordentliche Kündigung.

Das Arbeitsgericht Lübeck sei jedoch kein Grund für eine außerordentliche Kündigung. Es fehle vorliegend an einem wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung. Der beklagten Kirchengemeinde sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kirchenmusiker nicht unzumutbar geworden, so das Arbeitsgericht Lübeck. Eine beharrliche, vorsätzliche Arbeitsverweigerung habe die Gemeinde ihm nicht nachgewiesen. Auch dass der Kirchenmusiker sich nicht direkt, sondern erst später per E-Mail entschuldigt habe, unterstreiche zwar das gestörte Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber, es spreche aber nicht für ein vorsätzliches Fernbleiben. Die Gemeinde hätte den Kirchenmusiker zuvor abmahnen müssen. Es sei zu erwarten, dass der 61-jährige Kirchenmusiker, der zum Zeitpunkt des Vorfalls schon seit 15 Jahren bei der Gemeindegeschäft beschäftigt war, sein Verhalten künftig ändere.

Good Night & Good Luck
Ihr, euer Dr. Stephan Grundmann
und Team Arbeitsrecht