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Juli 2024

Leider muss ich das Land verlassen – die Honorare ernähren mich kaum…

Nach dem Rechtsstreit um Elon Musks milliardenschwere Vergütung bei Tesla, fordern die Anwälte des Klägers Rekordhonorare. Die Kanzleien vertraten einen Tesla-Investor, der neun Tesla-Aktien!!!! besaß, als er 2018 erfolgreich gegen Musks Vergütungspaket klagte. Der Fall nahm eine unerwartete Wendung, als die Tesla-Aktionäre im Juni für die Bestätigung von Musks Vergütung stimmten. Die drei Kanzleien, die gegen Elon Musks 56-Milliarden-Dollar-Gehaltspaket bei Tesla geklagt hatten, verlangen nun sieben Milliarden Dollar an Honoraren. Vor dem Gericht in Delaware argumentierte der Anwalt eines Aktionärs, dass diese Summe „Anwälte dazu ermutigen würde, sich für den Schutz von Kleinanlegern einzusetzen“.
Also echte Helden des kleinen Mannes…..

Errechnet man daraus den Stundensatz der daran 37 beteiligten Anwälte, Mitarbeiter und Rechtspfleger, landen wir bei 370.000,-$. Immerhin bietet der Tesla Anwalt 13,6 Millionen Dollar (=367.567,56$ pro Nase). Die Klage habe dem Wert des Unternehmens geschadet, indem sie den Aktienkurs gedrückt und Unsicherheit über Musks Zukunft im Unternehmen geschaffen habe. Die Anwälte halten dagegen:
Die geforderten Anwaltskosten entsprechen einem Teil des Wertes, der laut den Anwälten des Klägers durch die Entscheidung eines Richters in Delaware im Januar für Tesla geschaffen wurde, der Musks Vergütungspaket in Höhe von 56 Milliarden $ aufhob. Und: Schließlich fordere das Rechtsteam des Aktionärs deutlich weniger als das gesetzlich zulässige Maximum von 33 Prozent. Na dann …

Evtl geht’s aber auch nur darum:

https://www.bloomberg.com/news/articles/2024-07-17/man-kann-nie-zu-viel-geld-haben-findet-glucksforscher-heraus?xing_share=news

Beweis des Zugangs einer E-Mail

Oberlandesgericht Hamm | Beschluss vom 10.08.2023 | Az. 26 W 13/23

Ist die E-Mail tatsächlich beim Empfänger angekommen? Ein Problem, das sich immer wieder stellt. Eine Erklärung kann nur dann Rechtswirkung entfalten, wenn sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt. Doch was ist bei einer E-Mail der Machtbereich des Empfängers? Bei einer E-Mail muss die Nachricht auf dem Server des Empfängers gelangen. Ganz überwiegend wurde bisher von den Gerichten die Meinung vertreten, dass dem Absender einer E-Mail der Beweis des ersten Anscheins zur Seite steht, wenn vom Mailserver keine Unzustellbarkeitsnachricht zurückgesendet wird oder ein Sendeprotokoll vorliegt, aus dem ersichtlich ist, dass die E-Mail versendet wurde.

Der Nachweis über das Absenden einer E-Mail begründet keinen Anscheinsbeweis dafür, dass die E-Mail zugegangen ist. Der Beweis des Zugangs ist über die Vorlage einer Eingangs- oder Lesebestätigung möglich. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden.

Im Rahmen eines Rechtsstreits hatte das Oberlandesgericht Hamm über den Beweis des Zugangs einer E-Mail zu entscheiden. Das Landgericht Hagen hatte bereits in der Vorinstanz entschieden, dass für den Zugang einer E-Mail kein Anscheinsbeweis spreche. Denn es sei technisch möglich, dass eine E-Mail trotz des Absendens nicht beim Empfänger ankommt.

Das Oberlandesgericht Hamm führte zum Fall aus, dass bei der Versendung von E-Mails zwar ein Anscheinsbeweis befürwortet werde. Jedoch genüge es nicht, wenn der Versender lediglich die Absendung der E-Mail beweisen kann, da der betreffende Auszug keinen Beweiswert in Bezug auf den Zugang hat. Durch die Übersendung eines Screenshots der E-Mail gelinge daher kein Nachweis des Zugangs.

Der Zugang könne aber durch Vorlage einer Eingangs- und Lesebestätigung nachgewiesen werden, so das Oberlandesgericht. Folgerichtig treffe den Versender die Obliegenheit, eine Lesebestätigung zum Beweis des Zugangs anzufordern.

Problem ist aber, dass der Empfänger die Lesebestätigung ignorieren, aber trotzdem die E-Mail lesen kann. Hilft demnach nicht viel.

Das betrifft auch die Betriebsratsarbeit. Ist der Antrag auf Sachverstand gestellt worden? Wurde die Zustimmungsverweigerung, der Widerspruch tatsächlich zugstellt??? Sieht so aus, als wenn sich Sicherheit nur durch Papierübergabe herstellen lässt….

Zugang einer E-Mail die Zweite

BAG | Az. VII ZR 895/21

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, wann eine E-Mail im unternehmerischen Geschäftsverkehr als zugegangen gilt. Dem Empfänger geht eine E-Mail demnach grundsätzlich in dem Zeitpunkt zu, in dem sie innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers zum Abruf bereitgestellt wird. Auf einen tatsächlichen Abruf der E-Mail oder eine Kenntnisnahme komme es nicht an.

Dem Urteil zu Grunde lag die Frage, wann ein Angebot auf Abschluss eines Vergleichs per E-Mail wirksam zugegangen ist. Im vorliegenden Rechtsstreit verschickte die Klägerin per E-Mail ein Angebot für einen Vergleich. Keine 45 Minuten später eine weitere E-Mail, mit der darauf hingewiesen wurde, dass das vorherige Angebot unberücksichtigt bleiben müsse. Vielmehr sei eine höhere Summe zu leisten. Konkret ging es um die Beendigung eines Streits über die Höhe einer offenen Handwerkerrechnung. Konkret hatte der Anwalt des Handwerkers dem Anwalt des Kunden gemailt, dass die Sache erledigt sei, wenn der Kontrahent einen bestimmten Teilbetrag bezahle. Nur eine Stunde später hat er gemailt, dass dieses Angebot nicht als abschließende Regelung gemeint gewesen sei. Die beklagte Partei leistete eine Woche später den ursprünglich angebotenen Vergleichsbetrag. Mit der Klage machte die Klägerin den Differenzbetrag geltend.

In der Rechtsprechung war bisher geklärt, dass der Zugang einer Willenserklärung unter Abwesenden voraussetzt, dass sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Mit der Frage, wann konkret eine E-Mail als zugegangen gilt, hat sich der Bundesgerichtshof nunmehr befasst.

Der Bundesgerichtshof ist der Auffassung, dass der von einem Empfänger für den Empfang von E-Mail-Nachrichten genutzte Mailserver jedenfalls dann als sein Machtbereich anzusehen sei, wenn der Empfänger durch Veröffentlichung der E-Mail-Adresse oder sonstige Erklärungen im Geschäftsverkehr zum Ausdruck bringe, Rechtsgeschäfte mittels elektronischer Erklärungen in Form von E-Mails abzuschließen. Elektronische Willenserklärungen in Form von E-Mails werden als Datei gespeichert und von dem Mailserver des Absenders an den Mailserver des Empfängers weitergeleitet. Dieser werde in der Folge über den Eingang der E-Mail unterrichtet. In diesem Zeitpunkt sei der Empfänger in der Lage, die E-Mail abzurufen und auf seinem Endgerät anzeigen zu lassen, so dass der Zugang anzunehmen sei.

Mithin konnte das erste Vergleichsangebot, das innerhalb üblicher Geschäftszeiten wirksam zugegangen war, nicht mehr wirksam widerrufen werden und die Zahlung innerhalb einer Woche stellte eine sog. konkludente Annahme dar.

Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

LAG Berlin-Brandenburg | Az. 26 Ta 223/24

Auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte bestehen.

Früher war ein solcher Anspruch von den Arbeitsgerichten generell verneint worden. Weil die Abmahnung dazu diene, entweder den Arbeitnehmer zu vertragstreuem Verhalten zu bewegen oder eine Kündigung vorzubereiten, bestehe auf Seiten des Arbeitnehmers kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, wenn das Arbeitsverhältnis beendet sei.

Art. 17 DSGVO gibt betroffenen Personen eben genau dann, wenn personenbezogene Daten für die Zwecke, für die sie erhoben worden sind, nicht mehr notwendig sind, ein Recht auf Löschung.

Keine Vorabentscheidung zu Anwaltskosten oder: Kein Verfahren über Geld vor dem eigentlichen Verfahren

Arbeitsgericht Stuttgart | Az. 30 BV Ga 8/24

Die Antragstellerin begehrt die Übernahme von Rechtsanwaltskosten auf Basis des RVG für einen noch zu beauftragenden Rechtsanwalt/eine Rechtanwältin für drei weitere von ihr geführte Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht Stuttgart.

Die schwerbehinderte Antragstellerin ist seit 2023 nicht freigestelltes Betriebsratsmitglied in einem 37 Mitgliedern bestehenden Betriebsrats.

Die Antragstellerin führt bzw. führte gegen ihre Arbeitgeberin und auch gegen den eigenen Betriebsrat verschiedene Beschlussverfahren. In den entsprechenden Verfahren beantragt die Antragstellerin die Beiordnung eines Rechtsanwaltes bzw. hilfsweise einen Vorabbeschluss über die Übernahme der Kosten des Verfahrens nach § 40 BetrVG.
Die Antragstellerin beantragt im vorliegenden Rechtsstreit die Übernahme der Anwaltskosten für ihre parallel laufenden Verfahren und das im einstweiligen Verfügungsverfahren, also im Wege einer Vorabentscheidung zur Zahlung der Anwaltskosten.

Voraussetzung für eine solche Vorabentscheidung im Eilverfahren ist aber, dass die Angelegenheit dringlich ist, die Antragstellerin also nicht den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abwarten kann. Kurz gesagt, möchte sie im Vorfeld wissen, ob ihre Arbeitgeberin die Kosten für einen von ihr zu beauftragenden Anwalt übernimmt. Und genau hierin liegt die Problematik. Es fehlt an der erforderlichen Dringlichkeit.

In dem Umstand, dass die Antragstellerin nicht vorab Klarheit über die Frage der Erstattungspflicht der Kosten eines Rechtsanwaltes hat, liegt bereits keine wesentliche Erschwerung der Betriebsratstätigkeit. Im vorliegenden Fall ist ferner auch eine Widerlegung der Dringlichkeit zu verzeichnen. Die Antragstellerin führt die Parallelverfahren bereits mehrerer Monate und wurde dabei auch auf die fehlende Vorabkostenerstattung hingewiesen. Wenn vor diesem Hintergrund erst jetzt ein einstweiliges Verfügungsverfahren eingeleitet wird, ist hier im Ergebnis eine Widerlegung der Dringlichkeit zu sehen, so das Arbeitsgericht Stuttgart.

Ein Anspruch auf eine Vorabentscheidung besteht demnach nicht. Evtl. ist der Klägerin eine erste Anwaltsrechnung ins Haus geflattert. Denn wenn die von ihr angestrengten Verfahrensdurchführungen in Bezug auf das Betriebsratsamt nicht erforderlich iSd § 40 BetrVG sind, muss sie selbst zahlen. Aber auch der Anwalt hat ein Problem, wenn er ein offensichtlich sinnbefreites Verfahren durchgeführt hat, hätte er m.E. die Mandantin darauf hinweisen müssen….

(Schwierige) Verdachtskündigung eines Betriebsratsvorsitzenden

LAG Hamm | Beschluss vom 10.5.2024 | Az. 12 TaBV 115/23

Der Arbeitgeber verdächtigte den Vorsitzenden des Betriebsrats einen Arbeitszeitbetrug zu seinen Lasten begangen zu haben. Es bestehe der dringende Verdacht, dass der Betriebsratsvorsitzende seine Arbeitszeit unzutreffend dokumentiert habe. Durch die fälschlich veranlasste Auszahlung von Vergütung für „Mehrarbeitsstunden“ habe er einen Vermögensschaden beim Arbeitgeber verursacht. Der Arbeitgeber beabsichtigte daher eine außerordentliche und fristlose Verdachtskündigung auszusprechen. Der Betriebsrat erteilte die Zustimmung zum Ausspruch der beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Verdachtskündigung jedoch nicht.

Der Arbeitgeber beantragte daher beim Arbeitsgericht die Zustimmung des Betriebsrats zu ersetzen. Das Arbeitsgericht ersetzte die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen fristlosen Verdachtskündigung des Betriebsratsvorsitzenden nach § 103 Abs. 2 BetrVG. Die hiergegen vom Betriebsrat und dem Vorsitzenden eingelegte Beschwerde beim LAG Hamm war aber erfolgreich.

Das Gericht wies den Antrag auf Zustimmung des Betriebsrats ab. Aus Sicht des LAG Hamm bestanden zwar Verdachtsmomente, der dringende Verdacht der Pflichtverletzung, den es für den Ausspruch einer beabsichtigten Verdachtskündigung brauche, sei jedoch nicht gegeben. Das begründete das Gericht damit, dass auch andere Geschehensabläufe denkbar seien, die den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nicht rechtfertigen würden. Wie heißt es so schön: In dubio pro reo – im Zweifel für…. Damit lag für das LAG Hamm kein wichtiger Grund vor, der die beabsichtigte außerordentliche Kündigung rechtfertigen würde. Das ist die Krux bei der Verdachtskündigung: Alternative Geschehensabläufe entziehen dem „dringenden Verdacht“ den Boden.

Das hättest du nicht tun sollen – Kündigung eines Auszubildenden

Arbeitsgericht Berlin | Urteil vom. 22.05.2024 | Az. 37 Ca 12701/23

Das ArbG Berlin hat die Probezeitkündigung eines Auszubildenden bei dem Springer-Konzern für wirksam erachtet, der ein Video mit dem Titel „Wie entsteht eine Lüge“ über die Berichterstattung seines Arbeitgebers zum Angriff der Hamas auf Israel am 7.10.2023 bei YouTube eingestellt hat.

Der Auszubildende hatte im September 2023 eine Ausbildung zum Mediengestalter im Springer-Konzern begonnen. Nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7.10.2023 bekannte sich der Springer-Konzern eindeutig dazu, zu Israel zu stehen. Der Auszubildende stellte auf der Plattform „Teams“ als Profilbild den Text „I don’t stand with Israel“ ein. Auf YouTube veröffentlichte er unter Verwendung von Bildmaterial seiner Arbeitgeberin ein Video mit dem Titel „Wie entsteht eine Lüge“ zur Berichterstattung der Arbeitgeberin über den Angriff der Hamas auf Israel.

Springer bewertete dies als Angriff auf seine Unternehmenswerte und sprach innerhalb der vereinbarten Probezeit zwei fristlose Kündigungen des Ausbildungsverhältnisses gegenüber dem Auszubildenden aus. Der Auszubildende beruft sich auf seine Meinungsfreiheit und ist der Auffassung, dass die Kündigungen gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstießen. Letzteres war das wichtig, weil die an sich in der Probezeit jederzeit grundlos mögliche Kündigung wegen Verstoßes gegen § 612a ausnahmsweise unwirksam gewesen wäre.

Das Arbeitsgericht hat die erste Kündigung aufgrund einer fehlerhaften Betriebsratsanhörung für unwirksam erachtet, hielt die zweite Kündigung jedoch für wirksam. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Ausbildungsverhältnis während der Probezeit jederzeit und ohne Verpflichtung zur Angabe eines Grundes gekündigt werden könne. Die Kündigung stelle auch keine Maßregelung dar, sondern eine berechtigte Wahrnehmung der unternehmerischen Interessen. Die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit rechtfertige das bei YouTube eingestellte Video nicht.

Gegen das Urteil können beide Parteien Berufung beim LAG Berlin-Brandenburg einlegen.

Da hätten wir mitbestimmen müssen – Urlaubsgeld gem. Gesamtzusage

BAG Az. 10 AZR 345/22

Die Kläger stritten mit der nicht tarifgebundenen Beklagten, über Ansprüche auf Urlaubsgeld. Seit einigen Jahrzehnten gewährte die Beklagte ein jährliches Urlaubsgeld. Zwischen 2008 bis 2013 zahlte die Beklagte das Urlaubsgeld unter Bezugnahme auf ein Schreiben, das den Titel „Infos aus der Personalabteilung“ und „Urlaubsgeld (Angabe des jeweiligen Jahres) – Zahlung in voller Höhe, entsprechend der Urlaubsgeldregelungen“ trug, aus. Das Schreiben regelte die Höhe des Urlaubsgelds nach Betriebszugehörigkeit, Stichtags- und Rückzahlungsklauseln. Auch in den Folgejahren 2014 bis 2019 zahlte die Beklagte unter Hinweis auf deren Freiwilligkeit und unter z.T. abweichenden Voraussetzungen weiter jährlich Urlaubsgeld. Im Jahr 2020 kündigte die Beklagte erstmals an, kein Urlaubsgeld auszuzahlen. Den Betriebsrat, der bei der Beklagten seit 2013 bestand, beteiligte die Beklagte nicht. Die Kläger machten den Anspruch auf Urlaubsgeld für das Jahr 2020 geltend. Das Arbeitsgericht Paderborn gab den Klägern recht. Auf die Berufungen der Beklagten wies das Landesarbeitsgericht Hamm die Klagen ab.
Das BAG hielt die Revisionen der Kläger für begründet und hob die Urteile des LAG auf:
Es entschied, dass den Klägern ein Anspruch auf Urlaubsgeld für das Jahr 2020 zustehe, der aus einer Gesamtzusage der Beklagten aus dem Jahr 2008 folge. Die Höhe des Urlaubsgelds setzte das BAG auf den maximal nach diesen Urlaubsgrundsätzen möglichen Betrag fest.

Das BAG entschied, die Beklagte habe die Gesamtzusage nachträglich nicht einseitig zum Nachteil der Arbeitnehmer abändern können. Die Änderung der Grundsätze zum Urlaubsgeld gehöre zu den Entlohnungsgrundsätzen i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, sodass der Betriebsrat hätte beteiligt werden müssen. Demnach hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung neuer Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung mitzubestimmen. Unbeachtlich sei, dass der Betriebsrat ursprünglich der Einführung des Urlaubsgelds als Grundsatz nicht zugestimmt habe. Im Zeitpunkt der Einführung habe er nicht zustimmen können. Eine nachträgliche Zustimmung sei nicht erforderlich. Auf die widerspruchslose Hinnahme der Änderung der Grundsätze zum Urlaubsgeld durch den gebildeten Betriebsrat könne sich die Beklagte nach dem BAG nicht berufen. Die bloße Hinnahme eines mitbestimmungswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers durch den Betriebsrat reiche nicht aus, damit der Betriebsrat seine Mitbestimmung hinreichend ausgeübt habe. Eine sehr coole Entscheidung: Hätte der Kollege nur auf die individualrechtliche Gesamtzusage geschaut, wäre es sehr wahrscheinlich eng geworden. Aber das ursprüngliche Fehlen der Mitbestimmung bei diesem Geldgeschenk – egal wie ausgestaltet-, nahm dem Arbeitgeber die Möglichkeit, es ohne Mitbestimmung in Wegfall zu bringen.

Der voreilige Einigungsstellenvorsitzende

LAG Köln | Az. 9 TaBV 24/24

Eine im Einigungsstellenbesetzungsverfahren gerichtlich eingesetzte betriebliche Einigungsstelle ist erst mit der formellen Wirksamkeit des arbeitsgerichtlichen Beschlusses wirksam errichtet. Wird sie dennoch vorher tätig, kann der Spruch der Einigungsstelle die fehlende Einigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber nicht ersetzen.

Die Arbeitgeberin handelt mit Sportartikeln. Zwischen ihr und dem bei ihr gebildeten Betriebsrat gab es Uneinigkeit über die Dienstplangestaltung für die norddeutschen Filialen im Monat Mai 2024. Auf Antrag der Arbeitgeberin bestellte das ArbG Köln im Anhörungstermin vom 3.5.2024 einen Rechtsanwalt zum Vorsitzenden der Einigungsstelle und setzte die Zahl der Beisitzer auf zwei pro Seite fest.

Der Vorsitzende berief noch am gleichen Tag um 20.46 Uhr per E-Mail die Einigungsstelle für Samstag, den 4.5.2024, 13.00 Uhr in seine Kanzleiräume ein. Der Betriebsrat nahm an der Sitzung der Einigungsstelle nicht teil. Diese genehmigte die Dienstpläne im Spruchwege um kurz vor 20.00 Uhr. Am gleichen Tag ging um 22.19 Uhr die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des ArbG Köln ein. Dieser wurde dem Betriebsrat erst am Dienstag, 7.5.2024, zugestellt.

Das LAG Köln hat der Beschwerde teilweise abgeholfen und für die noch nicht durch Zeitablauf gegenstandslos gewordenen Dienstpläne einen anderen Einigungsstellenvorsitzenden bestellt.

Der am 4.5.2024 verkündete Spruch der Einigungsstelle war unwirksam. Die Einigungsstelle hätte nicht tätig werden dürfen, bevor der Beschluss über ihre Einsetzung rechtskräftig war. Daran änderte die Eilbedürftigkeit des Verfahrens nichts. Mag sein, dass ein praktisches Bedürfnis bestand. Das ändert jedoch nichts daran, dass Entscheidungen erst nach der sog Rechtskraft umgesetzt werden können. Hätte man halt eher den Gang zur Einigungsstelle antreten müssen. Die Behandlung des Verfahrens durch den vom ArbG eingesetzten Vorsitzenden begründete überdies Zweifel an seiner Unparteilichkeit, weshalb das LAG eine andere Person als Vorsitzenden eingesetzt hat.

Good Night & Good Luck
Ihr, euer Dr. Stephan Grundmann
und Team Arbeitsrecht