Die sinnbefreite Sprechklausel – oder was die Bahn mit schlechten Betriebsvereinbarungen gemein hat
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat vier Klagen der Deutschen Bahn AG und zwei bahneigene Gesellschaften (im Folgenden: Eisenbahninfrastrukturunternehmen) gegen das Land Baden-Württemberg, die Landeshauptstadt Stuttgart, den Verband Region Stuttgart und die Flughafen Stuttgart GmbH abgewiesen.
Im Jahr 2009 schlossen die Deutsche Bahn AG sowie die Eisenbahninfrastrukturunter-nehmen mit den Beklagten einen Finanzierungsvertrag für das Projekt „Stuttgart 21“ ab. In § 6 dieses Finanzierungsvertrages wurden die damals prognostizierten Gesamtkosten von ca. 3,1 Mrd. Euro auf die Vertragsparteien verteilt. In § 8 Abs. 3 ist geregelt, wie Mehrkosten bis zu einem Betrag von ca. 4,5 Mrd. Euro von den Vertragsparteien zu tragen sind. Für darüber hinausgehende Kostensteigerungen enthält der Vertrag keine ausdrückliche Verteilungsregelung. § 8 Abs. 4 Satz 1 sieht lediglich vor, dass im Falle „weiterer Kostensteigerungen“ die Eisenbahninfrastrukturunternehmen und das Land Baden-Württemberg Gespräche aufnehmen (im Folgenden: „Sprechklausel“). Die Klägerinnen begehren mit ihren Klagen im Wesentlichen, dass sich die Beklagten an weiteren Kostensteigerungen für das Projekt „Stuttgart 21“ bis zu einer Höhe von ca. 11,8 Mrd. Euro beteiligen.
Das VG hat die Klagen in vollem Umfang abgewiesen. Sie ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerinnen keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Übernahme weiterer Finanzierungsbeiträge für Mehrkosten des Projekts „Stuttgart 21“ haben. Ein solcher Anspruch kann nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung insbesondere nicht auf die „Sprechklausel“ des § 8 Abs. 4 des Finanzierungsvertrages gestützt werden. Die Kammer ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Vertragsparteien mit der „Sprechklausel“ keine verbindliche Regelung für die Vereinbarung weiterer Finanzierungsbeiträge im Wege der Fortschreibung des Finanzierungsvertrages treffen wollten. Der Wortlaut dieser Regelung verlangt die Aufnahme von Gesprächen, ohne dass hieraus eine Verhandlungspflicht oder gar ein Anspruch auf Vertragsanpassung abgeleitet werden kann.
Und da kommt die Betriebsvereinbarung ins Spiel: Die Erfahrung lehrt, dass wenn es nicht mehr weiter geht und die Parteien offene Zukunftsthemen keiner Lösung zuführen können, dann hilft man sich mit der Sprechklausel – „Die Betriebsparteien verpflichten sich,… blabla“. Dies Verlegenheit scheint gelöst, schlummert aber tatsächlich als dauerhafte Nichtlösung in der BV. Denn – s.o. – kommt es „zum Schwur“, sprich tritt der Verlegenheitsfall ein, muss gesprochen werden, aber mehr auch nicht – argh…. Das muss man mal gesagt bekommen oder erlebt haben.