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Mai 2023

„Besser is mit dem TV“, denn.. – Hubertus sieht´s auch so und Fun Fact und Richtergehalt

Ohne TV wird im Schnitt 54 Minuten pro Woche mehr gearbeitet x 52 = 2808 Minuten pro Jahr = knapp 47 Stunden….
Dafür gibt’s aber dann auch 11% weniger Lohn.

Während 2020 noch 68% Arbeitnehmer waren, waren es 2022 noch knapp 52 % mit Tarifbindung. Der Schwerpunkt der „Nichtbindung“ liegt in den 5 NL, angeführt von Brandenburg und Sachsen.

Und da kommt SUPER-HUBERT: Ab 2024 Belohnung von Tariftreue bei öffentlichen Aufträgen durch Hubertus. Klingt für Freunde gesetzlicher Zwänge verheißungsvoll. Nur bedenke: Die Masse der öffentlichen Aufträge dürften Bauunternehmen abbilden – da gilt ohnehin immer ein Allgemeinverbindlicher TV. Und irgendwie schon lustig: Ein großer Streit beim Bahnstreik war die Bezahlung bestimmter Mitarbeiter unter Mindestlohn. Wem gehört noch gleich die Bahn???

Fun fact? Her damit:
In einer schwedischen Studie wurden 80tsd Lottogewinne in unterschiedlicher Höhe auf familiäre Folgen hin untersucht. Hier die wichtigsten Argumente für die persönliche Überlegung zum Thema (Weiter-) Spielen:
Single Männer mit einem Gewinn über 80tsd hatten eine 30% höhere Chance, in den nächsten 5 Jahren zu heiraten. Bei verheirateten Männern sank die Gefahr einer Scheidung binnen der folgenden 10 Jahre um 40%. Aber das Schärfste: Gewann eine Frau, stieg die Wahrscheinlichkeit einer Scheidung binnen der folgenden zwei Jahre auf das Doppelte 😉

Was haben Frau Nahles und die Präsidentin des BAG gemeinsam? Hier zur Orientierung, wie das Gehalt dt. Richter ausschaut.
https://www.lto.de/karriere/geld/gehaltscheck-fuer-juristinnen/gehaltscheck-richter

Ja, wo ist er denn – der fehlende Betriebsratsvorsitzende

Arbeitsgericht Lüneburg | Beschluss vom 5. April 2023 | Az. 2 BV 6/22

Das Arbeitsgericht Lüneburg musste sich mit der Frage beschäftigen, ob im vorliegenden Fall ein Betriebsratsvorsitzender eine Betriebsratsveranstaltung geschwänzt hat, oder ob er an diesem Tag tatsächlich gearbeitet hat. Damit ging natürlich die Frage einher, sofern der Betriebsratsvorsitzende tatsächlich geschwänzt hat, ob dies einen Grund für eine fristlose Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden bildet.

Der Betriebsratsvorsitzende des Amazon-Logistikzentrums war im November 2022 gemeinsam mit drei weiteren Betriebsratsmitgliedern seines Gremiums für drei Tage zum deutschen Betriebsrätetag in Bonn gereist. Die Rückreise erfolgte gegen Mittag des dritten Tages. In seinem Arbeitszeitnachweis gab der Betriebsratsvorsitzende unter anderem an, er habe am zweiten Tag von 13 bis 16:00 Uhr sowie von 19 bis 22:00 Uhr Betriebsratsarbeit geleistet. Der Arbeitgeber will erfahren haben und wirft dies dem Betriebsratsvorsitzenden auch vor, dass dieser lediglich am ersten Tag an dem Betriebsrätetag teilgenommen hat. An den beiden Folgetagen sei er der Veranstaltung vollständig ferngeblieben und ausschließlich privaten Angelegenheiten nachgegangen. Aufgrund seiner Angaben im Arbeitszeitnachweis bestehe der Verdacht eines Arbeitszeitbetruges. Der Betriebsratsvorsitzende hat dagegen eingeräumt, den Betriebsrätetag am Vormittag des zweiten Tages verlassen zu haben, um aus privaten Gründen nach Düsseldorf zu fahren. Er habe jedoch während der von ihm angegebenen Zeiten stundenlang Betriebsratsarbeit in einem Café in Düsseldorf geleistet und anschließend bei seiner Exfrau übernachtet. Als freigestellter Vorsitzender des Betriebsrats könne er auch mobil arbeiten.

Dieser Einlassung schenkte der Arbeitgeber keinen Glauben und hat beim Betriebsrat die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden beantragt. Der Betriebsrat erteilte die Zustimmung zur Kündigung seines Vorsitzenden aber nicht, woraufhin dieser beim Arbeitsgericht Lüneburg die Ersetzung der Zustimmung beantragte.
Das Arbeitsgericht gab dem Antrag des Arbeitgebers statt und sah in dem Verhalten des Betriebsratsvorsitzenden einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB. Schon nach dem eigenen Vortrag des Betriebsratsvorsitzenden, dieser hatte selbst zugegeben, den Betriebsrätetag spätestens am Vormittag des zweiten Tages eigenmächtig verlassen und bis zum Schluss nicht mehr daran teilgenommen zu haben, liege ein schwerwiegender Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Auch hielt die Kammer die Angabe des Betriebsratsvorsitzenden, anderweitige Betriebsratsarbeit geleistet zu haben, für nicht glaubhaft. Sie habe im Übrigen auch im Widerspruch zu Erklärung gestanden, die der Betriebsratsvorsitzende nach der Rückkehr gegenüber anderen mitgereisten Betriebsratsmitgliedern abgegeben habe. Das eigenmächtige vorzeitige Verlassen der Betriebsräteversammlung, um privaten Interessen nachzugehen, in der Zusammenschau mit dem Verdacht einer versuchten Täuschung über stattdessen geleistete Betriebsratstätigkeit ist geeignet, das Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers tiefgreifend zu erschüttern, so das Arbeitsgericht Lüneburg.

Ohne BEM keine Kündigung – da hilft auch das Integrationsamt nicht

Bundesarbeitsgericht | Urteil vom 15. Dezember 2022 | Az. 2 AZR 162/22

Voraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung ist nach der ständigen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte die ordnungsgemäße Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements. Führt der Arbeitgeber ein solches nicht durch, droht die Unwirksamkeit der Kündigung.

Im vorliegenden Fall musste sich das Bundesarbeitsgericht mit einer datenschutzrechtlichen Frage im Hinblick auf die Durchführung des Eingliederungsmanagements beschäftigen und zugleich die Frage klären, ob die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung einer schwerbehinderten Arbeitnehmerin das betriebliche Eingliederungsmanagement entbehrlich macht. Die klagende Arbeitnehmerin war seit Dezember 2014 für einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Im Mai 2019 lud die Beklagte Arbeitgeberin die Angestellte zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement ein und überreichte dabei eine vorformulierte datenschutzrechtliche Einwilligung. Die Arbeitnehmerin weigerte sich jedoch, die Einwilligung zu unterzeichnen. Daraufhin wurde das betriebliche Eingliederungsmanagement noch vor seinem eigentlichen Beginn wieder abgebrochen.

Da die Arbeitnehmerin einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt war, beantragte die Arbeitgeberin beim Integrationsamt die Zustimmung zur beabsichtigten krankheitsbedingten Kündigung der Klägerin. Nachdem das Integrationsamt die Zustimmung im Mai 2020 erteilt hatte, kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis ordentlich.

Die Angestellte erhob Kündigungsschutzklage, die vom Arbeitsgericht abgewiesen wurde. Das Landesarbeitsgericht hingegen gab der Klage auf die Berufung hin statt.

Auch das Bundesarbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Dabei stellte das Bundesarbeitsgericht fest, dass die Arbeitgeberin ihrer Verpflichtung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht nachgekommen ist. Der Arbeitgeberin habe zwar zu einem BEM eingeladen, nachdem die Mitarbeiterin aber die Unterzeichnung der vorformulierten Datenschutzerklärung verweigert hatte, habe die Arbeitgeberin das Verfahren nicht einfach abbrechen dürfen. Sie hätte dennoch das BEM beginnen und versuchen müssen, sich mit der Mitarbeiterin auf den Ablauf des Verfahrens und den Umfang der zu erhebenden Daten zu einigen. Erst wenn sich die Mitarbeiterin dem verweigert hätte, hätte die Arbeitgeberin das Verfahren gegebenenfalls beenden dürfen. Behauptet dabei ein Arbeitgeber, dass ein BEM entbehrlich ist, so muss er detailliert vortragen, dass ein -unterstelltes- betriebliches Eingliederungsmanagement erfolglos geblieben wäre und nicht dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen. Dazu muss der Arbeitgeber auch darlegen, dass künftige Fehlzeiten nicht durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger hätten vermieden werden können.

Im vorliegenden Fall genügte der Vortrag der Beklagten Arbeitgeberin diesen Anforderungen nicht.

Ferner stellte das Bundesarbeitsgericht fest, dass an diesem Ergebnis auch die vom Integrationsamt erteilte Zustimmung zu der Kündigung nichts ändert. Die Zustimmung der Behörde führe nicht zu einer Vermutung, dass ein betriebliches Eingliederungsmanagement erfolglos verlaufen wäre.

Mehr Geld für den Betriebsrat??? – das BAG macht´s uns schwer….

Bundesarbeitsgericht| Urteil vom 23.11.2022 | Az. 7 AZR 122/23

Das vorliegende Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist sicherlich für viele Betriebsräte interessant, weil es sich mit dem in der Praxis sehr schwer umzusetzenden § 37 Abs. 4 Betriebsverfassungsgesetz beschäftigt. Gemäß § 37 Abs. 4 Betriebsverfassungsgesetz darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden, als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.

Der Kläger war ab 1998 zunächst als Karosseriebauer beschäftigt. 2007 wurde er zum Teamleiter ernannt. Seit 2010 ist er Mitglied des Betriebsrats. Im März 2012 bewarb er sich erfolglos auf eine andere Teamleiterstelle. Im Oktober 2012 vereinbarten die Arbeitsvertragsparteien, dass der Kläger ab November 2012 die Funktion als Teamleiter abgibt sowie als Techniker eingesetzt und entsprechend niedriger tariflich vergütet wird. Seit 2014 ist er als komplett freigestelltes Betriebsratsmitglied beschäftigt. Im Juli 2016 und im März 2018 bewarb er sich jeweils erfolglos auf Abteilungsleiterstellen. Der Kläger vertritt nun die Ansicht, ihm stehe eine Entgelterhöhung in Höhe der durchschnittlichen Vergütungsentwicklung der von ihm benannten Vergleichspersonen zu. Die im Zeitpunkt seiner Übernahme des Betriebsratsamts im Betrieb beschäftigten neun Teamleiter bildeten dabei die zutreffende Vergleichsgruppe. Zwei der im Jahr 2010 als Teamleiter beschäftigten Arbeitnehmer seien im Jahr 2018 als Projektleitung tätig, drei als Teamleitung, drei als Abteilungsleiter und einer als Senior Fachreferent.

Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass ein Anspruch des Klägers darauf, ihm eine Vergütung in Höhe eines Prozentsatzes des Durchschnitts der Vergütung der von ihm benannten Vergleichsgruppe zahlen, weder nach § 37 Abs. 4 noch nach § 611a Abs. 2 BGB besteht. Unter anderem habe der Kläger nicht dargetan, dass die Jahresgehälter der Arbeitnehmer der von ihm gebildeten Vergleichsgruppe sämtlich auf einer betriebsüblichen beruflichen Entwicklung beruhen. Das Bundesarbeitsgericht führt im Hinblick auf den Aspekt der betriebsüblichen beruflichen Entwicklung folgendes aus:
Maßstab bei der betriebsüblichen Entwicklung sind nicht die an sich vergleichbaren Arbeitnehmer, sondern solche mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. In diesem Zusammenhang kann für ein künftiges Anpassungsverlangen wie das vorliegende nicht allein die berufliche Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer in der Vergangenheit maßgeblich sein. Maßgebender Zeitpunkt für den Vergleich ist zunächst der Zeitpunkt der Wahl des Betriebsratsmitglieds, also der Zeitpunkt, in dem sich dieser noch ausschließlich seiner beruflichen Tätigkeit gewidmet hat. Dies gilt auch für freigestellte Betriebsratsmitglieder.

Üblich ist dabei eine Entwicklung, die vergleichbare Arbeitnehmer bei Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen haben. Der Geschehensablauf muss so typisch sein, dass zumindest in der überwiegenden Anzahl der vergleichbaren Fälle mit der jeweiligen Entwicklung gerechnet werden kann. Die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten ist nur dann betriebsüblich, wenn diese dem Betriebsratsmitglied hätten übertragen werden müssen oder die Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer einen solchen Aufstieg erreicht hätten. Dabei ist im Sinn eines Mindestschutzes keine Annahme über die individuelle berufliche Entwicklung des Betriebsratsmitglieds anzustellen. Maßgeblich ist nicht die hypothetische Entwicklung des Betriebsratsmitglieds selbst, sondern die betriebliche Weiterentwicklung, die ein vergleichbarer Arbeitnehmer nach den betriebsüblichen Umständen durchläuft.

Letztlich heißt dies nichts anderes, dass eine bestimmte berufliche Entwicklung nach einer bestimmten Zeit unabdingbar entstehen muss und dies halt eben typisch für diesen Betrieb ist. Dies ist für einen Betriebsrat nur sehr schwer darzulegen und in der Praxis wohl auch sehr selten der Fall.

Den Kollegen weggehupt

Landesarbeitsgericht Nürnberg | Urteil vom 20.12.2022 | Az. 7 SA 243/22

Die gute Nachricht: Wer den Kollegen mit seinem Feuerwehrauto weghupt, muss ihm kein Schmerzensgeld bezahlen, auch wenn dieser 18 Monate arbeitsunfähig ist. Ein Feuerwehrmann, der beim Einparken seines Feuerwehrautos einen auf einem Bürgersteig stehenden Kollegen anhupt, sodass dieser einen Hörschaden erlitt, muss dem Kollegen kein Schmerzensgeld zahlen. Der Feuerwehrmann wollte das Feuerwehrfahrzeug zurück auf das Gelände der Feuerwache bringen. In dem engen Hofeinfahrtsbereich stand der Kläger, ebenfalls Feuerwehrmann, mit dem Rücken zum sich nähernden Feuerwehrauto auf einem Bürgersteig. Bemerkt hatte er das Fahrzeug bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Dies änderte sich erst, als der Fahrzeugführer aus 4 m Entfernung das Signalhorn betätigte. Dies war so laut, dass bei dem auf dem Bürgersteig stehenden Feuerwehrmann ein Hörschaden und ein beidseitiger Tinnitus auftrat. Nach dem Vorfall war der Mann über 18 Monate lang arbeitsunfähig erkrankt der Vorfall wurde als Arbeitsunfall und dem Kläger wurde später ein Grad der Behinderung von 30 anerkannt.

Der Geschädigte Feuerwehrmann verlangte nun von seinem Kollegen ein Schmerzensgeld in Höhe von 16.800 €. Das erstinstanzliche Arbeitsgericht Nürnberg wies die Klage jedoch ab. Mit dem Betätigen des Signalhorns zur Warnung der umstehenden Personen habe eine betriebliche Tätigkeit vorgelegen (wichtig: senkt den Haftungsmaßstab auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit). Der Beklagte habe weder das Unfallereignis noch den Personenschaden des Klägers vorsätzlich herbeigeführt. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg sind Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall vom Versicherten desselben Betriebs verursachen, nur dann zum Ersatz von Personenschäden verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem versicherten Weg herbeigeführt haben.

Das Landesarbeitsgericht vertrat die Auffassung, dass die Betätigung des Signalhorns betrieblich veranlasst war. Das Betätigen des Signalhorns stehe einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der zu erledigenden Arbeit, das Fahrzeug an den vorgesehenen Abstellplatz zu verbringen. Ein Schadensersatzanspruch komme zudem nur dann in Betracht, wenn der hupende Feuerwehrmann seinen Kollegen auch verletzen wollte. Nach den Umständen ging es dem Feuerwehrmann aber nicht darum seinen Kollegen zu verletzen, sondern vielmehr darum, ihn vor einer gefahrenträchtigen Situation zu bewahren. Damit blieb der Schmerzensgeldanspruch erfolglos.

Die Abmahnung des Arbeitgebers und Eigenkündigung durch die Arbeitnehmerin

Landesarbeitsgericht Köln | Urteil vom 24.1.2023 | Az. 4 SaGa 16/22

Dieses Urteil macht deutlich, dass auch ein Arbeitnehmer einen Arbeitgeber abmahnen kann und das Recht hat eine fristlose Kündigung gegenüber dem Arbeitgeber auszusprechen.

Die Arbeitgeberin streitet im vorliegenden Fall mit der Arbeitnehmerin über die Unterlassung einer Konkurrenztätigkeit für die Dauer der Kündigungsfrist, insbesondere geht es darum, ob eine von der Arbeitnehmerin erklärte fristlose Kündigung unwirksam ist.

Die Arbeitgeberin produzierte für verschiedene Fernsehsenderformate aus dem Bereich Entertainment. Die Arbeitnehmerin war seit 2007 bei der Arbeitgeberin beschäftigt, zuletzt als stellvertretende Geschäftsführerin. Die vereinbarte beiderseitige Kündigungsfrist betrug sechs Monate zum Monatsende. Darüber hinaus unterlag die Arbeitnehmerin während der Dauer dieses Arbeitsverhältnisses einem umfassenden Wettbewerbsverbot.

Im Juli 2022 bestellte die Gesellschafterin der Arbeitgeberin eine neue Geschäftsführerin. Zwischen dieser und der ehemaligen Geschäftsführerin sowie der Arbeitnehmerin kam es zu Konflikten über die inhaltliche Ausrichtung. Die Firmengründerin und ehemalige Geschäftsführerin sollte in der Folge aus dem Unternehmen ausscheiden. Die Arbeitnehmerin meldete sich nach dieser Mitteilung arbeitsunfähig krank.

Mit einer Dienstanweisung der neuen Geschäftsführerin vom 19.8.2022 wurden der Arbeitnehmerin daraufhin unter anderem sämtliche Projekte entzogen und sämtliche Kommunikation zu laufenden Projekten und den aktuellen Entwicklungen vor allem mit Kunden und Dienstleistern, aber auch mit freien und festen Mitarbeitern untersagt. Gleichzeitig wurde sie aus allen E-Mail-Verteilern gelöscht. In der Folgezeit verhandelten die Parteien über Konditionen für eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Am 12.9.2022 übersandte die Arbeitgeberin den Entwurf eines Aufhebungsvertrages, der eine Beendigung zum 31.3.2023, eine Freistellung der Arbeitnehmerin bis dahin sowie eine sogenannte Turboklausel vorsah.
Noch am gleichen Tag teilte die Arbeitgeberin mit, dass sie an diesem Vertragsangebot nicht mehr festhalte. Daraufhin mahnte der Prozessbevollmächtigte der Arbeitnehmerin die Arbeitgeberin ab und forderte die Arbeitgeberin unter Fristsetzung auf, die rechtswidrige Freistellung und die Dienstanweisung vom 19.8.2022 zurückzunehmen und die Arbeitnehmerin wieder als stellvertretende Geschäftsführerin zu beschäftigen. Nachdem die Arbeitnehmerin ein weiteres Angebot der Arbeitgeberin zur Aufhebung des Arbeitsvertrages ablehnte, wurde ihr die Bereitschaft zur Weiterbeschäftigung angezeigt. Sie wurde zur Teilnahme an einem Personalgespräch aufgefordert, in dem man den zukünftigen Aufgabenbereich besprechen wolle.
Die Arbeitnehmerin lehnte die Teilnahme an diesem Gespräch ab.

Letztendlich kündigte die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis selbst mit Schreiben vom 30.9.2022 fristlos. Im Oktober 2022 wurde bekannt, dass die Arbeitnehmerin ab dem 1.11.2022 eine neue Tätigkeit als Geschäftsführerin bei einer anderen Arbeitgeberin aufnehmen werde.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, dass die Arbeitnehmerin bis zum Ablauf der sechsmonatigen Kündigungsfrist an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden sei. Die fristlose Kündigung sei offensichtlich unwirksam.
Dieser Rechtsauffassung konnte das Landesarbeitsgericht Köln aber nicht folgen. Die Weigerung des Arbeitgebers, einen Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen, sei an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung durch den Arbeitnehmer zu bilden. Sie stellt eine schwerwiegende Vertragsverletzung dar. Dies gelte selbst dann, wenn das vereinbarte Gehalt weitergezahlt werde. Der Arbeitnehmer hätte im bestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich einen Anspruch auf vertragsgemäße tatsächliche Beschäftigung. Der Arbeitnehmer soll – als Ausdruck und Achtung seiner Persönlichkeit und seines Entfaltungsrechts – tatsächlich arbeiten können. Der Arbeitgeber sei auf Verlangen zur vertragsgemäßen Beschäftigung verpflichtet.

Gegen diese Pflicht habe die Arbeitgeberin verstoßen. Sie beschäftigte die Arbeitnehmerin letztlich unstreitig zum Zeitpunkt des Zugangs der streitgegenständlichen Eigenkündigung nicht vertragsgerecht. Die Arbeitgeberin hätte die Arbeitnehmerin spätestens nach erfolgter Aufforderung der Arbeitnehmerin, sie vertragsgerecht zu beschäftigen, diese entsprechend auch beschäftigen müssen. Dies sei bis zuletzt aber nicht erfolgt.

Vor diesem Hintergrund war die Eigenkündigung der Arbeitnehmerin rechtmäßig. Insofern unterlag sie auch keinem sechsmonatigem Wettbewerbsverbot.

Klage auf Abfindung nach betriebsbedingter Kündigung – oder: Man kann sich auch verzocken oder der Anwalt für / gegen Dich

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz | Urteil vom 19. Januar 2023 | Az. 5 Sa 135/22

Nicht selten glaubt ein Arbeitnehmer, dass er auf eine Abfindung klagen kann. Dies ist jedoch ein Irrglaube. Auf eine Abfindung gibt es grdsl. keinen Rechtsanspruch. Abfindungen werden in der Regel unter den Parteien zur Prozessvermeidung oder – beendigung ausgehandelt. Entweder in Form eines Vergleichs, eines Aufhebungsvertrages oder eben eines Abwicklungsvertrages. Um diesen geht es im vorliegenden Fall. Einem entlassenen Kraftfahrer machte der Arbeitgeber ein Angebot über eine Abfindung von 100.000 € mittels eines Abwicklungsvertrages. Der Anwalt des Arbeitnehmers erwiderte, dass sein Mandant zwar grundsätzlich an einer Abfindung interessiert sei, aber nicht um jeden Preis. Zunächst wollte er die Modalitäten verhandeln. Um jeden Preis wollte aber auch der Arbeitgeber die Abfindung nicht zahlen. Letztlich bot er gar keine Abfindung mehr an. Das war sein gutes Recht, entschied zumindest das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz so.

Der Arbeitnehmer war als Kraftfahrer seit über 30 Jahren in einem Betrieb beschäftigt, der aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung Ende August 2021 stillgelegt werden sollte. Der Arbeitgeber beschäftigte dort 140 Mitarbeiter, einen Betriebsrat gab es nicht. Im Januar 2021 wurde dem Kraftfahrer betriebsbedingt mit einer sozialen Auslauffrist gekündigt. Mit allen Arbeitnehmern, die von der Entlassung betroffen waren, wurden daraufhin Gespräche über die Abwicklung geführt. Dem Arbeitnehmer im konkreten Fall ließ der Arbeitgeber über dessen Anwalt einen schriftlichen Abwicklungsvertrag zu kommen, der auch eine Abfindung vorsah. In seinem Fall belief sich diese bei einem Ende des Arbeitsverhältnisses zum Ende 2021 auf 104.300 €. Zwischen den Parteien gab es jedoch Streit um die Modalitäten der Abfindung. Vor diesem Hintergrund hob die Arbeitgeberin ihr Angebot auf Zahlung einer Abfindung auf. Der Arbeitnehmer erhob über seinen Anwalt Kündigungsschutzklage und verlangte zudem eine Abfindung von mindestens 104.300 €. Die Klage hatte weder vor dem Arbeitsgericht Trier noch vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Erfolg. Die betriebsbedingte Kündigung des Kraftfahrers war aufgrund der Betriebsstilllegung wirksam. Einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung durch den Arbeitgeber verneint das Gericht ebenfalls. Der Arbeitgeber habe das Schreiben des Anwalts auf das Angebot über eine Abfindung in Höhe von rund 104.300 € als Ablehnung verstehen dürfen und sei nicht mehr an dieses gebunden. Eine Rechtsgrundlage für eine Abfindung gab es nicht, so die Richter aus Rheinland-Pfalz.

Hier hat der Kollege wohl etwas hoch gepokert.

Geld gibt es nur gegen Nachweis

Arbeitsgericht Stuttgart | Urteil vom 23. Februar 2023 | Az. 25 Ca 956/22

Vorliegend geht es um den sogenannten Annahmeverzugslohn. Dieser liegt dann vor, wenn ein Arbeitnehmer im Rahmen eines von ihm angestrengten Kündigungsschutzprozesses aufgrund einer zuvor vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung klagt und die Kündigung als unwirksam erachtet wird, Anspruch auf Zahlung des Gehalts ab Zustellung der Kündigung hat. Voraussetzung ist jedoch, dass der Arbeitnehmer trotz Kündigung seine Arbeitsleistung anbietet und den Arbeitgeber damit in Verzug setzt.

Dieser Anspruch des Arbeitnehmers auf Annahmeverzugslohn besteht allerdings nicht uneingeschränkt, vielmehr muss sich der Arbeitnehmer etwaig entgangenen Zwischenverdienst anrechnen lassen.

Im vorliegenden Fall hatte die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung vor dem Arbeitsgericht keinen Bestand. Dementsprechend machte der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber Annahmeverzugslohn seit dem Zeitpunkt der ersten Kündigung gelten. Der Arbeitgeber setzte dieser Forderung entgegen, dass sich der Arbeitnehmer anderweitige Einkünfte anrechnen lassen müsse.

Das Arbeitsgericht urteilte daraufhin, dass zwar grundsätzlich ein Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn seit Zugang der ersten Kündigung bestehe. Nach der Auffassung des Arbeitsgerichts Stuttgart sei der Arbeitnehmer aber seiner Darlegungslast nicht nachgekommen, da er nicht darlegen konnte, dass er sich auf entsprechende Vermittlungsvorschläge der Bundesagentur für Arbeit erfolglos beworben habe. Dies führt dazu, so das Arbeitsgericht Stuttgart, dass sich der Arbeitnehmer einen hypothetischen Erwerb in voller Höhe anrechnen lassen muss, weshalb der Anspruch auf Annahmeverzugslohn nicht entstanden sei.

Das Angebot nehme ich nicht an

Bundesarbeitsgericht | Urteil vom 29.03.2023 | Az. 5 AZR 255/22

Im vorliegenden Fall geht es um einen Arbeitnehmer, der als technischer Leiter bei der Beklagten beschäftigt war. Im Dezember 2019 hatte der Arbeitgeber eine fristlose Änderungskündigung ausgesprochen, mit der ihm ein neuer Arbeitsvertrag als Softwareentwickler gegen eine geringere Vergütung angeboten wurde. Nachdem der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt hatte und auch nicht zur Arbeit erschienen war, hatte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis erneut außerordentlich gekündigt. Im anschließenden Kündigungsschutzprozess wurde dann rechtskräftig festgestellt, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst hat.

Weil der Arbeitgeber zwischenzeitlich nur noch einen Bruchteil der Vergütung gezahlt hatte und der Arbeitnehmer erst zum April 2020 ein neues Arbeitsverhältnis begründen konnte, erhob der Arbeitnehmer Klage auf die vertraglich vereinbarte Vergütung wegen Annahmeverzugs bis zum Antritt der neuen Beschäftigung. Eine Weiterbeschäftigung zu geänderten oder auch den ursprünglichen Arbeitsbedingungen sei ihm, sofern der Arbeitgeber dies überhaupt ernsthaft angeboten habe, nicht zuzumuten gewesen.

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts befand sich das beklagte Unternehmen aufgrund der unwirksamen fristlosen Kündigung im Annahmeverzug, ohne dass es eines Arbeitsangebots durch den klagenden Arbeitnehmer bedurft hätte. Grund dafür sei das widersprüchliche Verhalten des Arbeitgebers. Dadurch, dass er selbst deutlich gemacht hatte, dass ihm eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unzumutbar sei, spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er ihm mit der Änderungskündigung kein ernst gemeintes Angebot einer Weiterbeschäftigung unterbreitet habe und die Arbeit gar nicht habe annehmen wollen. Die Ablehnung eines solchen – nicht ernst gemeinten – Angebots lasse nicht auf einen fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers schließen, so die Richter aus Erfurt.

Good Night & Good Luck
Ihr, euer Dr. Stephan Grundmann
und Team Arbeitsrecht