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April 2025

Die Schwarzroten und die Zukunft des Arbeitsrechts – Whats New? Oder „von der Stirne heiß, rinnen muss der Schweiss“!

Der Koalitionsvertrag 2025 sieht vor, die tägliche Höchstarbeitszeit zugunsten einer wöchentlichen „Betrachtung“ zu flexibilisieren, im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG. Das bedeutet, dass die bisherige Begrenzung von maximal zehn Stunden pro Tag (§ 3 Arbeitszeitgesetz, ArbZG) durch eine Wochenarbeitszeit von maximal 48 Stunden ersetzt werden könnte.  

Die Arbeitgeber frohlocken, da sie eine bessere Anpassung an betriebliche Erfordernisse ermöglicht. Gewerkschaften warnen vor möglichen Gesundheitsrisiken durch längere tägliche Arbeitszeiten und fordern klare Schutzmechanismen. Die Koalition plant eine konkrete Ausgestaltung im Dialog mit den Sozialpartnern, wobei der Gesundheitsschutz und die Einhaltung von Ruhezeiten weiterhin gewährleistet sein sollen. 

Die Pflicht zur Einführung eines „objektiven, verlässlichen und zugänglichen“ Systems zur Erfassung der täglich geleisteten Arbeitszeit, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits 2019 festgestellt . Seither warten ALLE auf eine gesetzliche Umsetzung, da das ArbZG bislang nur eine Dokumentationspflicht für Mehrarbeit vorsieht.  

Zwar hat das BAG festgestellt, dass sich die vom EuGH geforderte umfassende Erfassungspflicht bereits aus einer unionskonformen Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz ergibt, aber eine gesetzl Klarstellung tut Not. Richtig schlecht ist: Künftig möchte man die Vetrauensarbeitszeit von der Zeiterfassung ausdrücklich ausnehmen!!!!

Im Koalitionsvertrag bekennen sich SPD und CDU/CSU zum gesetzlichen Mindestlohn von 15 Euro bis 2026.  Das Ziel ist erreichbar, aber nicht garantiert. Denn es entscheidet immer noch die Mindestlohnkommission.

Die Koalition plant ein Bundestariftreuegesetz, das öffentliche Aufträge des Bundes ab einem Auftragswert von 50.000 Euro – bei Start-ups mit „innovativen Leistungen“ in den ersten vier Jahren nach Gründung ab 100.000 Euro – an die Einhaltung tarifvertraglicher Arbeitsbedingungen knüpft. Unternehmen müssten künftig nachweislich Löhne mindestens auf Branchentarifniveau zahlen. 

Auch sonst trägt der Koalitionsvertrag in diesem Bereich eine deutliche sozialdemokratische Handschrift: Gewerkschaften sollen ein digitales Zugangsrecht zu Betrieben erhalten – etwas, das das BAG noch vor wenigen Wochen klar verneint hat.

Zuschläge für Mehrarbeit solllen steuerfrei gestellt werden, sofern sie über die tariflich vereinbarte oder an Tarifverträge orientierte Vollzeit (nur Vollzeit!!) hinaus geleistet wird.

Geplant ist weiterhin die Reduzierung gesetzlicher Schriftformerfordernisse – etwa bei Befristungen nach § 14 Abs. 4 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG). 

Auch will die Regierung an der Möglichkeit zur telefonischen Krankschreibung festhalten.

Die Digitalisierung kommt auch bei der Betriebsratsarbeit an: Online-Betriebsratssitzungen und Online-Betriebsversammlungen sollen als gleichwertige Alternativen zu Präsenzformaten in das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) aufgenommen werden. Betriebsratswahlen sollen online möglich werden.

Betrüblich: Maßnahmen zur Bekämpfung von sog. Union-Busting, also der systematischen Blockade und Sabotage von Betriebsräten wird es nicht geben. So wurde weder die bislang nur auf Antrag verfolgte Behinderung von Betriebsratsarbeit (§ 119 BetrVG) geändert, noch der besondere Kündigungsschutz für Initiatoren von Betriebsratswahlen auf außerordentliche Kündigungen ausgeweitet.

Auch die vielfach geforderte Abschaffung der sachgrundlosen Befristung wurde nicht umgesetzt. 

Gleiche Arbeit, gleicher Lohn?

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern | Urteil vom 28.01.2025 | Az.: 5 SLa 159/24

Stellt Euch folgende Situation vor: Ein langjähriger Mitarbeiter arbeitet als Personalleiter in einem Unternehmen und verdient seit 2020 knapp 4.200 € brutto im Monat. Nun stellt das Unternehmen zwei neue Personalleiter ein – zu jeweils 10.000 € brutto plus Provisionen und Firmenwagen. Verständlicherweise fühlt sich der ältere Kollege unfair behandelt.

Warum bekommt er weniger für den gleichen Job? Mehrfach fordert er intern eine Gehaltserhöhung, doch der Arbeitgeber blockt ab. Schließlich zieht der unterbezahlte Mitarbeiter vor Gericht und beruft sich auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (vereinfacht: der Grundsatz, dass Arbeitnehmer im Betrieb ohne sachlichen Grund nicht ungleich behandelt werden dürfen) sowie auf das Entgelttransparenzgesetz. Er sieht eine Diskriminierung und verlangt rückwirkend den gleichen Lohn wie seine neuen Kolleg*innen.

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern entschied am 28.01.2025 zugunsten des Arbeitgebers und wies die Klage – wie schon die Vorinstanz – ab. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gehaltserhöhung, nur weil neu eingestellte Kolleg*innen mehr verdienen. Weder aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz noch aus dem Entgelttransparenzgesetz ergibt sich hier ein solcher Anspruch. Mit anderen Worten: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gilt nicht automatisch für alle Kollegen, wenn einzelne Neue höher einsteigen.

Doch warum durfte der Arbeitgeber unterschiedlich bezahlen?

Das Gericht stellte klar, dass Vertragsfreiheit im Arbeitsrecht bedeutet: Arbeitgeber dürfen Gehälter mit jedem Arbeitnehmer individuell aushandeln. Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz greift nur, wenn der Arbeitgeber eine generelle Regel aufstellt, die für eine Gruppe von Mitarbeitern gilt. Einzelfallentscheidungen – wie individuell verhandelte Gehälter bei Neueinstellungen – sind keine solche einheitlichen Regeln. In unserem Fall hatte das Unternehmen keine allgemeine Lohnregel („alle neuen Personalleiter bekommen mehr Geld“) erlassen, sondern jeden Vertrag separat verhandelt.

Wichtig dabei ist: Willkürliche Lohndiskriminierung ist trotzdem verboten. Ein Arbeitgeber darf einzelne Mitarbeiter innerhalb einer vergleichbaren Gruppe nicht grundlos schlechter stellen. Ohne sachlichen Grund wäre ein großer Gehaltsunterschied also angreifbar. Im konkreten Fall gab es aber objektive Unterschiede zwischen dem Kläger und seinen neuen Kolleg*innen: Die neuen Personalleiter hatten höherwertige Abschlüsse und deutlich mehr Berufserfahrung vorzuweisen. Ein Kollege war Diplom-Ökonom mit Erfahrung in einer Wirtschaftsagentur, die Kollegin hatte einen Master-Abschluss und Praxis aus mehreren größeren Unternehmen. Der langjährige Mitarbeiter hingegen besaß diese Qualifikationen nicht. Diese Mehrqualifikation der Neuen stellte für das Gericht einen nachvollziehbaren sachlichen Grund für das höhere Gehalt dar. Kurz gesagt: Mehr Erfahrung und bessere Abschlüsse rechtfertigen mehr Gehalt.

Auch ein Verstoß gegen das Entgelttransparenzgesetz lag nicht vor. Dieses Gesetz soll vor allem geschlechtsbedingte Lohndiskriminierung verhindern. Zwar verdiente hier eine neu eingestellte Frau deutlich mehr als der klagende Mann, aber ein anderer neu eingestellter Mann bekam genauso viel wie sie. Das höhere Gehalt hing also nicht vom Geschlecht ab – das Geschlecht spielte keine Rolle bei der Bezahlung. Folglich lag keine geschlechtsspezifische Diskriminierung vor, und der Entgeltgleichheitsgrundsatz aus dem Gesetz griff nicht.

Was bedeutet das denn jetzt für die Betriebsrats-Praxis?
Für Betriebsräte ist dieses Urteil aus der Praxis wichtig, um Erwartungen – insb fragender Kollegen – realistisch einschätzen und beantworten zu können. Nicht jede Gehaltsungleichheit ist eine Rechtsverletzung. Wenn neue Mitarbeiter höher eingruppiert werden, ohne dass es eine allgemeine Regel oder Abmachung dazu im Betrieb gibt, kann der Betriebsrat rechtlich wenig dagegen ausrichten. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht nämlich nur, wenn es um allgemeine Entlohnungsgrundsätze oder kollektive Regelungen geht (z.B. eine generelle Lohnrunde, Eingruppierungen nach Schema, Bonus-Systeme etc.). Individuell ausgehandelte Gehälter unterliegen nicht der direkten Mitbestimmung des Betriebsrats. In diesem Fall durfte der Arbeitgeber also ohne Beteiligung des Betriebsrats unterschiedlichen Lohn vereinbaren, solange kein Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung entgegenstand.

Kein Verfall von virtuellen Optionen eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms nach Eigenkündigung

Bundesarbeitsgericht | Urteil vom 19.03.2025 | Az.: 10 AZR 67/24

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass bestimmte Verfallklauseln in Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen unwirksam sind, da sie Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen. Viele, leider zu wenige, Unternehmen, belohnen ihre Mtarbeiter, indem sie ihnen sogenannte Aktienoptionen (Möglichkeit des Erhalts von Firmenaktien zu einem festen, idR vergünstigten, Preis), geregelt nach einem bestimmten (Options) Plan zukommen lassen. Aus steuerlichen und Gründen der Mitarbeiterbindung sind diese idR eine zeitlang nicht ausübbar und werden überdiese davon abhängig gemacht, wie die Vertragsbindung endet.

Und nein: Das ist kein Luxusproblem, denn in vielen Unternehmen wird so Leistung und / oder Firmentreue für alle Mitarbeiter – ja, ja natürlich in unterschiedlicher Höhe / Menge – belohnt. Das bisherige Praxisproblem: Das BAG gab dem Arbeitgeber viele Gestaltungsmöglichkeiten, um die Optionen in Wegfall geraten zu lassen.

Ein Arbeitnehmer hatte im Rahmen eines virtuellen Mitarbeiterbeteiligungsprogramms (ESOP) 23 virtuelle Optionen, die über eine vierjährige Vesting-Periode (Übertragungszeitraum) innerhalb eines bestimmten Zeitraums ausübbar wurden. Nach seiner ordentlichen Eigenkündigung sah der Optionsplan vor, dass sämtliche bereits gevesteten Optionen sofort verfallen. Zudem enthielt der Plan eine Klausel, nach der gevestete Optionen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses doppelt so schnell verfallen sollten, wie sie während der Vesting-Periode erworben wurden.

Das BAG entschied, dass eine Klausel, die den sofortigen Verfall bereits gevesteter (übertragener) virtueller Optionen bei einer Eigenkündigung des Mitarbeiters vorsieht, den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt und daher gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Gevestete Optionen gelten als Gegenleistung für bereits erbrachte Arbeitsleistung und dürfen nicht ohne Weiteres entzogen werden.

Auch eine Klausel, die vorsieht, dass gevestete Optionen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses doppelt so schnell verfallen, wie sie innerhalb der Vesting-Periode entstanden sind, wurde als unangemessen und somit unwirksam bewertet.
Mit diesem Urteil hat das BAG seine bisherige Rechtsprechung aus dem Jahr 2008 (10 AZR 351/07) ausdrücklich aufgegeben, in der solche Verfallklauseln noch als zulässig angesehen wurden.

Zugang von Kündigungen – Beweislast und Fristbeginn für Kündigungsschutzklage

Bundesarbeitsgerichts | Urteil vom 30.01.2025 | Az.: 2 AZR 68/24

Die Arbeitgeberin behauptete, sie habe das Arbeitsverhältnis durch ein Schreiben vom 26. Juli 2022 gekündigt. Die Klägerin bestreitet jedoch, dieses Schreiben jemals erhalten zu haben. Die Arbeitgeberin konnte durch den Sendungsstatus des Einschreibebriefs lediglich darlegen, dass das Kündigungsschreiben zur Post gegeben wurde – ein tatsächlicher Zugang beim Arbeitnehmer konnte hingegen nicht belegt werden. Die Klägerin reichte nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist gemäß § 4 Satz 1 KSchG Kündigungsschutzklage ein. Die Beklagte wandte dagegen ein, die Klage sei verspätet erhoben worden.
Das BAG bestätigt die ständige Rechtsprechung, dass eine Kündigung als empfangsbedürftige Willenserklärung erst dann wirksam wird, wenn sie dem Arbeitnehmer zugeht.

Ein solcher Zugang liegt nur dann vor, wenn:
das Kündigungsschreiben so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass er unter normalen Umständen von dessen Inhalt Kenntnis nehmen kann (z. B. durch Einwurf in den Hausbriefkasten), und der Absender den Zugang auch nachweisen kann.
Ein einfacher Postversand ohne Nachweis reicht dagegen nicht aus.

Im Kündigungsschutzprozess trägt immer der Arbeitgeber die volle Beweislast für den Zugang der Kündigung. Wenn der Arbeitnehmer den Zugang bestreitet, muss der Arbeitgeber durch objektive Beweismittel (z. B. Empfangsquittung, Zeugenaussagen, Einschreiben mit Rückschein, Boten) den Zugang nachweisen. Kann dieser Nachweis nicht geführt werden, gilt die Kündigung nicht als zugegangen, und es liegt keine wirksame Kündigung vor.

Die dreiwöchige Klagefrist beginnt erst mit dem Zugang der schriftlichen Kündigung. Liegt dagegen kein nachgewiesener Zugang vor, beginnt die Frist nicht zu laufen.

Eine verspätete Klage ist in diesem Fall nicht ausgeschlossen – weil es an einem wirksamen Kündigungszugang fehlt. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts wurde aufgehoben, und der Fall wurde zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen, da das Landesarbeitsgericht zu Unrecht von einem Zugang ausgegangen war, ohne dass der Arbeitgeber diesen tatsächlich bewiesen hatte.

Betriebsbedingte Kündigung nach Wegfall eines Großauftrags

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern | Urteil vom 15.01.2025 | Az.: 3 SLa 156/24

Die Klägerin war seit Januar 2021 als Disponentin bei einem Unternehmen tätig, das Taxi- und Mietwagenfahrten anbietet. Ihre Hauptaufgabe bestand in der Disposition von Rufbusfahrten, die im Rahmen eines exklusiven Großauftrags mit einer Verkehrsgesellschaft durchgeführt wurden. Im Zeitraum von März 2023 bis März 2024 befand sie sich in Elternzeit.

Im Oktober 2023 kündigte der Auftraggeber den Großauftrag außerordentlich, wodurch das monatliche Dispositionsvolumen von etwa 6.750 auf 750 Fahrten sank. Der Arbeitgeber entschied daraufhin, die Disponentenstelle aufzugeben. Die verbleibenden Aufgaben wurden auf eine Büromitarbeiterin übertragen, und während deren Abwesenheit erfolgte eine Rufumleitung direkt an die Fahrer. Die Klägerin wurde am 15. April 2024 zum 31. Mai 2024 betriebsbedingt gekündigt.

Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage mit der Begründung, der Arbeitgeber hätte eine Änderungskündigung aussprechen müssen. Zudem rügte sie eine fehlerhafte Sozialauswahl, da sie drei unterhaltsberechtigte Kinder habe, während die Büromitarbeiterin nur ein Kind betreue. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern wies die Berufung der Klägerin zurück und bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts Schwerin.

Der Wegfall des Großauftrags führte vorliegend zu einer erheblichen Reduzierung des Arbeitsvolumens, was eine unternehmerische Entscheidung zur Streichung der Disponentenstelle rechtfertigte. Die verbleibenden Dispositionsaufgaben konnten durch eine Büromitarbeiterin sowie durch organisatorische Anpassungen (Rufumleitung an Fahrer) ohne überobligatorische Mehrarbeit bewältigt werden. Eine Versetzung der Klägerin auf eine Fahrerposition war mangels Führerscheins nicht möglich; andere geeignete Stellen standen nicht zur Verfügung. Obwohl die Klägerin durch ihre drei Kinder mehr Unterhaltspflichten hatte, wies die Büromitarbeiterin eine längere Betriebszugehörigkeit und ein höheres Alter auf und war somit sozial schutzwürdiger. Zudem waren die Tätigkeiten nicht vergleichbar, da die Büromitarbeiterin in einem anderen Funktionsbereich tätig war. Nach alledem war die Klage erfolglos. Na ja, wichtig wäre u.E. noch gewesen, dass das LAG geklärt hat, dass die Büromitarbeiterin durch den Verbleib in ihrem „Funktionsbereich“ arbeitsvertraglich immer noch hauptsächlich eben Büromitarbeiterin blieb und die Dispositionstätigkeit nur einen kleinen Teil ausmachte, womit keine Verhleichbarkeit der Stellen entstand.

Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung bei dauerhafter Arbeitsunfähigkeit – Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz

Landesarbeitsgericht Hamm | Urteil vom 12.12.2024 | Az.: 18 SLa 628/24

Die Klägerin war als stellvertretende Stationsleitung in einem Krankenhaus tätig. Zu ihren Aufgaben gehörten sowohl pflegerische Tätigkeiten wie die Mobilisation von Patienten als auch administrative und organisatorische Aufgaben.

Im Jahr 2020 erlitt die Klägerin einen Herzinfarkt. Seitdem war sie von Nachtdiensten befreit. Im Dezember 2021 infizierte sie sich mit dem Coronavirus und entwickelte in der Folge ein Long-COVID-Syndrom mit Symptomen wie Dyspnoe (Kurzatmigkeit) und Fatigue (Ermüdung). Seitdem war sie dauerhaft arbeitsunfähig krankgeschrieben und bezog bis Juni 2023 Krankengeld.

Gutachten der Gesellschaft für Arbeitsmedizin (GESA) und des medizinischen Dienstes Nordrhein kamen zu dem Ergebnis, dass die Klägerin dauerhaft nicht mehr in der Lage sei, ihre bisherige Tätigkeit auszuüben. Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellte fest, dass die Klägerin insbesondere nicht mehr in der Lage sei, Tätigkeiten mit Heben/Tragen über 8 kg, häufigem Bücken, Zwangshaltungen, Überkopfarbeit und unter Zeitdruck auszuüben. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich aus personenbedingten Gründen.

Hiergegen erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage. Die Klägerin beantragte zudem, weiterhin als stellvertretende Stationsleitung beschäftigt zu werden, jedoch ohne Nachtschichten und ohne bestimmte körperlich belastende Pflegetätigkeiten wie das Waschen, Umlagern und Mobilisieren von Patienten.Sie argumentierte, dass diese Tätigkeiten nur einen geringen Teil ihrer Arbeit ausmachten und sie die verbleibenden Aufgaben weiterhin ausführen könne.

Das Landesarbeitsgericht Hamm bestätigte die Wirksamkeit der personenbedingten Kündigung. Es stellte fest, dass die dauerhafte Arbeitsunfähigkeit der Klägerin einen personenbedingten Kündigungsgrund darstellt. Die Gutachten belegten, dass eine Besserung des Gesundheitszustands nicht zu erwarten sei und die Klägerin ihre vertraglich geschuldete Arbeitsleistung dauerhaft nicht mehr erbringen könne.

Es stellte zudem fest, dass die von der Klägerin nicht mehr ausübbaren Pflegetätigkeiten zu den prägenden Kernaufgaben einer stellvertretenden Stationsleitung gehören. Eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes, bei der diese zentralen Aufgaben entfallen, würde faktisch die Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes bedeuten. Ein solcher Anspruch besteht jedoch nicht, da der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, einen neuen Arbeitsplatz zu schaffen, um eine behinderungsgerechte Beschäftigung zu ermöglichen.

Facebook-Post mit Hamas-Verherrlichung

Landesarbeitsgericht Düsseldorf | Urteil vom 08.10.1024 | Az.: 3 SLa 313/24

Ein Schlosser hatte auf Facebook einen Beitrag geteilt, der die Hamas glorifizierte und antisemitische Inhalte enthielt. Sein Arbeitgeber sprach daraufhin eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung aus. Der Arbeitnehmer erhob dagegen Kündigungsschutzklage.

Das LAG Düsseldorf entschied, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam ist. Das Gericht stellte fest, dass eine solche Kündigung nur dann gerechtfertigt ist, wenn das außerdienstliche Verhalten des Arbeitnehmers einen konkreten Bezug zum Arbeitsverhältnis aufweist und schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt werden. Im vorliegenden Fall war dieser Bezug nicht ausreichend gegeben.

Das Gericht betonte, dass auch schwerwiegende, mitunter strafrechtlich relevante Äußerungen wie das Billigen von Gewalttaten oder das Fördern antisemitischer Ressentiments nicht automatisch eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Vielmehr müsse eine Abmahnung als milderes Mittel in Betracht gezogen werden, sofern nicht erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber unzumutbar ist.

Lori bleibt daheim! Oder warum Arbeitsgerichte jedenfalls kein großes Herz für Hundi´s haben

LAG Düsseldorf | Az. 8 GLa 5/25

Gut sechs Jahre akzeptierte der Arbeitgeber, dass Tierschutzhündin Lori mit zur Arbeit kam. Doch das Mitbringen ist gleichwohl laut Arbeitsvertrag untersagt, das Verbot sollte jetzt durchgesetzt werden.
Das Frauchen klagte und hatte Euch einstweiligen Rechtsschutz beantragt Sie wollte erreichen, dass das Mitbringen auch künftig geduldet wird. Mit ihrem Antrag auf Leistungsverfügung war sie bereits vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf gescheitert Beim LAG sollte sich klären, ob es dabei bleibt.

Anja H. arbeitet seit 2013 in der Spielhalle im Schichtdienst, von 9 bis 17 Uhr in der Frühschicht oder von 17 bis 1 Uhr nachts in der Spätschicht. Im Jahr 2019 übernahm H. die Hündin aus der Hundehilfe Deutschland und rettet sie damit aus einer Tötungsstation in Spanien. Immer wieder konnte Lori dann teilweise zuhause bleiben, weil sich auch Familienmitglieder um das Tier kümmern konnten, zudem kam Corona mit Schließungszeiten der Spielhalle. Doch auch aus privaten Gründen änderte sich für H. vieles, Lori kam mit zur Arbeit.

Die wechselnden Vorgesetzten nahmen das über Jahre hin. Bis zum März. Da teilte der Regionalleiter mit, dass der Hund nicht mehr mitkommen dürfe. H. sagte, sie habe das Mitbringen des Tieres der Arbeit vor der Anschaffung beim Arbeitgeber erfragt, sonst hätte sie die Hündin nicht aufgenommen. Auch eine Abmahnung gab es dafür nie.

Im Arbeitsvertrag ist geregelt. dass das Mitbringen von Tieren nicht erlaubt ist. Explizit erlaubt hat es auch niemand von den Vorgesetzten, das sagte an diesem Tag auch H. – und darauf hätte es noch ankommen können. „Es sind Nuancen, die eine Rolle spielen“, erklärte der Vorsitzende Richter. Das Hinnehmen trotz Verbots jedenfalls ändere am Verbot nichts, eine Duldung sei keine Erlaubnis.

Und damit sah die Kammer „beim besten Willen keinen vertraglichen Rechtsgrund“, aus dem sich eine Erlaubnis ergeben könnte. Auch eine betriebliche Übung könne es nicht sein, weil H. als einzige ihr Tier mitbrachte für dieses Rechtsinstitut müssten mehrere Beschäftigte betroffen sein. Für ein Ermessen bleibe kein Raum, dafür bräuchte es eines Bereiches, in dem dieses ausgeübt werden könne – doch der Arbeitsvertrag sei klar formuliert. Die Klägerin hatte zwar vorgetragen, dass es aus dem Mindestlohn, den sie erhält, schwierig sei, eine Hundebetreuung zu bezahlen. Außerdem hänge der Hund sehr an ihr, Urlaub werde nur gemeinsam gemacht, in die Disco gehe sie nicht mehr, bei Restaurantbesuchen kläre sie vorher, ob Hunde erlaubt seien. Bei privaten Treffen sei die Hündin dabei.

Doch die Kammer hielt es „finanziell und persönlich“ für möglich, dass H. das hinbekomme, auch mit Mindestlohn und wenn es „eine Belastung für Sie und für den Hund ist“, so der Vorsitzende.

Arbeitgebende dürfen es also erlauben, müssen es aber nicht und können ihre Erlaubnis auch von bestimmten Bedingungen abhängig machen, insbesondere müssen die Bedürfnisse der Beschäftigten aufeinander abgestimmt werden.
Wichtig noch: Der BR ist zwar in der Mitbestimmung gem. § 87 Abs. 1 Nr. BetrVG, aber was soll er tun? Schließlich gibt es auch Betriebsangehörige, die ungern Hunde um sich haben. Siehe auch die Vorentscheidung zum „Dreibeinigen Hund“ https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/arbg-duesseldorf-urteil-8-ca-7883-12-hund-buero-arbeitsablauf-fuersorgepflicht-arbeitgeber

Good Night & Good Luck
Ihr, euer Dr. Stephan Grundmann
und Team Arbeitsrecht