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Februar 2025

Zweimal im Jahr ein betriebliches Eingliederungsmanagement???!, YES

Bundesarbeitsgericht | 2 AZR 138/21

Kann es sein, dass ich als Arbeitnehmer zweimal im Jahr ein betriebliches Eingliederungsmanagement mitmachen muss?  Mit dieser Frage musste sich das Bundesarbeitsgericht befassen. Im Februar 2020 wurde ein Arbeitnehmer aufgrund erheblicher Krankheitsausfälle ordentlich gekündigt. Der Arbeitnehmer war im Jahr 2017 an 40 Arbeitstagen, im Jahr 2018 an 61 Arbeitstagen und im Jahr 2019 an 103 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt.  Gegen die ordentliche Kündigung erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht.  Er vertrat hier die Auffassung, dass vor seiner Kündigung ein BEM-Verfahren hätte durchgeführt werden müssen.  Die Arbeitgeberin vertrat dagegen die Auffassung, dass sie bereits im März 2019 ein BEM durchgeführt habe und insofern ein weiteres betriebliches Eingliederungsmanagement nicht erforderlich gewesen sei.  Die Vorinstanzen gaben der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers statt.  Die Kündigung sei unverhältnismäßig und damit unwirksam.  Die Arbeitgeberin habe nicht darlegen können, dass keine zumutbare Möglichkeit bestanden habe, die Kündigung durch mildere Maßnahmen wie etwa durch ein erneutes BEM zu vermeiden.  Und eben gegen diese Entscheidung richtete sich die Revision der Arbeitgeberin.  Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Rechtsauffassung der Vorinstanzen.  Ist ein Arbeitnehmer mehrfach im Jahr für länger als sechs Wochen erkrankt, dann muss in einem Jahr auch mehrfach ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt werden. Laut Bundesarbeitsgericht spielt es dabei keine Rolle, ob nach dem durchgeführten BEM noch kein Jahr vergangen ist.  Das betriebliche Eingliederungsmanagement habe kein Mindesthaltbarkeitsdatum von einem Jahr.  Dabei ist nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts zu beachten, dass sich die Krankheitsursachen, die betrieblichen Umstände und die einschlägigen Heilverfahren geändert haben können.  Ob das der Fall ist und ob sich daraus ein neuer Ansatz für Maßnahmen zur Vorbeugung vor weiteren Zeiten von Arbeitsunfähigkeit ergibt, könne grundsätzlich nur in einem neuen BEM geklärt werden.  Von einem erneuten BEM kann nur dann abgesehen werden, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweisen kann, dass auch ein neuerliches BEM schon deshalb kein positives Ergebnis erbracht hätte, weil bereits das vorherige keines ergeben hat und keine relevanten Veränderungen gegenüber dem für den Suchprozess des vorherigen BEM maßgeblichen Stand der Dinge eingetreten sind. 

Wann bin ich leitender Angestellter? Oder: Wie wichtig muss ich denn sein?

Hessisches Landesarbeitsgericht | 16 TaBV 93/24

Im vorliegenden Fall streiten sich die Parteien darüber, ob es sich bei einer Filialleiterin um eine Leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz handelt. Die Arbeitgeberin ist ein Einzelhandelsunternehmen, das etwa 3500 Mitarbeiter in 70 Filialen in Deutschland beschäftigt. Antragsteller ist hier der für die Filiale gebildete Betriebsrat. Gemäß § 5 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz ist u.a. derjenige Leitender Angestellter, der selbstständig einstellen und entlassen darf. Im vorliegenden Fall behauptet der Arbeitgeber, die Filialleiter seiner Filialen dürfen selbstständig einstellen und entlassen und haben damit eine entsprechende Personalverantwortung für eine erhebliche Anzahl von Mitarbeitern. Die Anzahl der von der Personalkompetenz erfassten Arbeitnehmer der Filiale in Relation zur Gesamtbelegschaft des Unternehmens betrug im vorliegenden Fall 2,6%. Das waren 91 von 3500 Mitarbeitern. Nach Auffassung des Hessischen Landesarbeitsgerichtes ist diese Anzahl zu gering, um den Status einer leitenden Angestellten zu begründen. Auch beziehe sich die Personalkompetenz weder in qualitativer noch in quantitativer Hinsicht auf einen bedeutsamen Personenkreis und werde zudem weiter dadurch eingegrenzt, dass neben der Filialleiterin weitere Personen gleichrangig mit derselben Kompetenz ausgestattet waren. Die Filialleiterin hatte nicht die Befugnis zur Einstellung von Abteilungsleitern oder von stellvertretenden Filialleitungen. Die Filialleiterin tritt im vorliegenden Fall nur in einem unbedeutenden Umfang als Repräsentant des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat auf. Die für die Stellung eines leitenden Angestellten erforderliche unternehmerische Personalverantwortung liegt nur dann vor, wenn die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis gerade für einen für das Unternehmen qualitativ bedeutsamen Personenkreis besteht. Die Personalkompetenz muss sich in einem solchen Fall deshalb auf Arbeitnehmer erstrecken, die entweder hochqualifizierte Tätigkeiten mit entsprechenden Entscheidungsspielräumen ausüben oder einen für das Unternehmen herausragenden Geschäftsbereich betreuen. Legt man diese Grundsätze zugrunde, so ist die Filialleiterin keine leitende Angestellte im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes. Ihre Personalkompetenz bezieht sich eben nicht auf Mitarbeiter, die hochqualifizierte Tätigkeiten ausüben. Diese Entscheidung macht deutlich, dass allein die Befugnis zur Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern nicht ausreichend ist, um den Status eines leitenden Angestellten zu begründen. Die Personalkompetenz muss sich, wie das Urteil ausführt, auch auf Mitarbeiter mit hochqualifizierten Tätigkeiten beziehen. Allein eine Vorgesetztenstellung reicht für den Status einer Leitenden Angestellten nicht aus. Es fehlt hier am erforderlichen Einfluss auf die Unternehmensführung.

Homeoffice statt Versetzung als milderes Mittel bei einer Änderungskündigung?

Arbeitsgericht Baden-Württemberg | 9 SA 42/24

Im vorliegenden Fall streiten sich die Parteien darüber, ob die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Änderungskündigung einen Homeoffice-Arbeitsplatz als vermeintlich milderes Mittel anbieten muss. Der Kläger hier, der Arbeitgeber, war seit dem 01.05.2008 nach Betriebsübergängen zuletzt als Meister Endmontage Kühlturmbau und Versand bei der Beklagten am Standort in R beschäftigt. Die Arbeitgeberin hat im Dezember 2023 die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Standort in R zu schließen. Die Entscheidung hatte wirtschaftliche Hintergründe. Der Kläger erhielt eine Änderungskündigung mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis zu im Übrigen unveränderten Bedingungen am Standort in D, welcher etwa 240 km entfernt ist, fortzusetzen. Die Mietverträge für die Räumlichkeiten in R waren bereits gekündigt. Der Kläger nahm die Änderungskündigung unter Vorbehalt an und erhob Kündigungsschutzklage. Er vertrat die Auffassung, dass die Arbeitgeberin ihm einen Homeoffice-Arbeitsplatz als milderes Mittel statt der Änderungskündigung anbieten müsste. Ein Umzug in das etwa 240 km entfernte D sei für ihn nicht zumutbar. i.ü. wies er darauf hin, dass er schon seit der Corona-Pandemie ein bis zwei Tage im Homeoffice arbeiten könnte. Er habe bereits in der Vergangenheit mehrere Tage im Homeoffice gearbeitet. Das Gericht musste sich also mit der Frage befassen, ob dem Kläger ein Anspruch auf Homeoffice als milderes Mittel statt der Änderungskündigung zusteht. Der Kläger war in der Vergangenheit – wie gesagt – nicht vollständig im Homeoffice tätig, sondern in streitigem Umfang ein bis zwei oder drei bis vier Tage pro Woche. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass es zeitweise drei bis vier Tage pro Woche gewesen sind, führt das nicht dazu, dass es einen Arbeitsplatz gibt, der vollständig vom Homeoffice des Klägers aus erbracht werden kann. Aber eben dieses verlangt der Kläger. Bei einer Tätigkeit ausschließlich im Homeoffice und bei einer Tätigkeit, bei der der Kläger drei bis vier Tage pro Woche arbeitet, handelt es sich nicht um dieselben Arbeitsplätze. So das Landesarbeitsgericht. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass ein solcher Arbeitsplatz zur Vermeidung der betriebsbedingten Kündigung bei der Beklagten geschaffen wird. Der Arbeitnehmer hat keinen gesetzlichen Anspruch auf Einrichtung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes. Im Ergebnis steht fest, dass die Möglichkeit, dem Arbeitnehmer die Erbringung der Arbeitsleistung aus dem Homeoffice zu gestatten, grundsätzlich kein milderes Mittel gegenüber einer Änderungskündigung darstellt, mit der der Arbeitsort des Arbeitnehmers geändert wird.

Ich will jetzt dauerhaft Teilzeit machen

Urteil vom 2.12.2024 | Aktenzeichen 16 GLa 821/24 | Hessisches Landesarbeitsgericht,

Eine Arbeitnehmerin, die seit Oktober 2020 in einem Unternehmen mit in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmern vollzeitig beschäftigt war, vereinbarte mit dem Unternehmen eine auf zwei Jahre befristete Verringerung der Arbeitszeit auf 30 Stunden, vom September 2022 bis August 2024. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Brückenteilzeit. Im Gegensatz zur unbefristeten Teilzeit kann hier der Arbeitnehmer im Vorfeld genau festlegen, von wann bis wann er Teilzeit machen möchte. Nach Ablauf der vereinbarten Zeit erhöht sich die Arbeitszeit wieder auf die vertraglich geschuldete Arbeitszeit. Zu beachten ist hierbei aber, dass während der Dauer der zeitlich begrenzten Verringerung der Arbeitszeit der Arbeitnehmer keine weitere Verringerung und keine Verlängerung seiner Arbeitszeit nach diesem Gesetz verlangen kann. Dies ist in § 9a Absatz 4 TzBfG geregelt. Und genau hier liegt das Problem. Im März 2024, das heißt während der laufenden Brückenteilzeit, beantragte die Arbeitnehmerin eine unbefristete Teilzeit von 30 Stunden ab September 2024. Das heißt ab dem Ende der Brückenteilzeit. Diesem Begehren stimmte der Arbeitgeber nicht zu. Das Landesarbeitsgericht vertrat hier die Auffassung, dass der Klägerin der Anspruch auf eine neuerliche Teilzeit nicht zustand. Denn die Klägerin hatte ihren Antrag während der Dauer ihrer Brückenteilzeit gestellt. Ein solcher Antrag ist eben durch § 9a Absatz 4 Teilzeitbefristungsgesetz ausgeschlossen.

Ich möchte lieber einen Mann als Architekten statt einer Frau

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg | Urteil vom 20.11.2024 | Aktenzeichen 10 Sa 13/24

Im vorliegenden Fall musste das Landesarbeitsgericht klären, ob der hier beklagte Arbeitgeber verpflichtet ist, an seine ehemalige Mitarbeiterin eine Entschädigung nach § 15 Absatz 2 AGG aufgrund einer Benachteiligung wegen des Geschlechts zu zahlen. Die Klägerin, hier die Architektin, arbeitete als Betriebsmitarbeiterin in einem Unternehmen. Eine Kundin, die das Unternehmen als Bauinteressentin zur Verwirklichung eines Bauvorhabens kontaktiert hatte, sprach sich gegen die Architektin aus. Sie bevorzugte stattdessen einen Mann als Berater. Aus diesem Grund wurde der Vorgesetzte der Architektin, der Regionalleiter als Kundenbetreuer der Bauinteressentin eingesetzt. Die Architektin hielt dies für eine schadensersatzpflichtige Diskriminierung nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Sie vertrat die Auffassung, dass der Arbeitgeber es versäumt habe, nach Äußerung der Bauinteressentin alle geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zu ergreifen, um der Benachteiligung entgegenzuwirken. Dieser Rechtsauffassung konnte das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg folgen. Das Gericht stellte klar, dass seitens des Arbeitgebers der Versuch einer gütlichen Lösung erforderlich gewesen wäre, um der Kundin die Kompetenz der Beraterin näher zu bringen. Der Architektin wurde die Möglichkeit genommen, durch Betreuung der Bauinteressentin zum einen ihr berufliches Können unter Beweis zu stellen und zum anderen durch den Einsatz eine nicht unerhebliche Provisionschance zu verwirklichen, so das Landesarbeitsgericht. Im Vorfeld sei jeder Versuch unterblieben, die Kundin umzustimmen und deutlich zu machen, dass das diskriminierende Verhalten missbilligt werde. Die Benachteiligung sei auch unmittelbar wegen des Geschlechts erfolgt, da die Kundin ausdrücklich nach einem Mann für die Betreuung ihres Projektes gefragt hatte. Als Entschädigung erachtete das Landesarbeitsgericht 1.500 Euro als angemessen. Hierbei sei nicht unerwähnt, dass die Klägerin 84.300 Euro gefordert hat. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts war diese Forderung überzogen und nicht mit den besonderen Umständen des Einzelfalls begründet. Damit dürfte (Gebühren) der Anwalt der größere Gewinner geworden sein….

Beweiskraft einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus Tunesien

Bundesarbeitsgericht | 5 AZR 284/24

Können die Gesamtumstände einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dessen Beweiskraft mindern? Mit dieser Frage hat sich das Bundesarbeitsgericht befasst. Doch worum geht es? Ein als Lagerarbeiter angestellter Mitarbeiter hatte sich bei seinem Arbeitgeber in den Jahren 2017, 2019 und 2022 jeweils (lustig, denn das gab es schon Mal bis zum EuGH. Die Familie PALETTA, meldete sich immer geschlossen -überraschend – im Italienurlaub – krank – lesenswert: https://taz.de/Aerzte-luegen-nicht/!1459041/) 
im Anschluss an einen mehrwöchigen Aufenthalt in Tunesien krankgemeldet. Im letzten Fall per E-Mail vom 07.09.2022, zwei Tage vor Urlaubsende. Der E-Mail war ein Attest eines tunesischen Arztes in französischer Sprache mit der Diagnose schwere Ischialbeschwerden (dover Rückenschmerz) im engen Lendenwirbelsäulenkanal beigefügt. Der Kläger benötige daher 24 Tage strenge häusliche Ruhe bis zum 30. September 2022. In dieser Zeit dürfe er sich während der Reise nicht bewegen. Doch einen Tag nach dem Arztbesuch buchte der Kläger am 08.09.2022 ein Fährticket für den 09.09.2022 und trat an diesem Tag mit seinem Pkw die Rückreise nach Deutschland an. Nachdem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mitgeteilt hatte, dass er das tunesische Attest nicht als Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung anerkennen würde, legte der Arbeitnehmer ein weiteres Dokument vor, in dem der tunesische Arzt seine Diagnose erläuterte und klarstellte, dass seine Ruhepause mit Arbeitsunfähigkeit und Reiseverbot für 24 Tage bis zum 30.09.2022 erforderlich waren. Der Arbeitgeber verweigerte dennoch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und kürzte die Vergütung entsprechend. Das BAG machte klar, dass es nicht grundsätzlich am Beweiswert einer nicht im EU-Ausland ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zweifelt. Entscheidend ist immer, dass der ausländische Arzt zwischen einer bloßen Erkrankung und einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit unterschieden hat. Dennoch so das Bundesarbeitsgericht muss anhand der vorgetragenen tatsächlichen Umstände eine rechtlich gebotene Gesamtwürdigung vorgenommen werden. Diese führt hier dazu, dass erhebliche Zweifel am Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bestehen. Denn der Arbeitnehmer hatte sich bereits zuvor nach Auslandsaufenthalten krankgemeldet. Zudem hatte er einen Tag vor Ablauf des Reiseverbots bereits die Rückreise angetreten und diese schon kurz nach dem Arztbesuch in Tunesien gebucht. All das mindert aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts den Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung erheblich. Daher trägt hier der Arbeitnehmer die volle Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für den Entgeltfortzahlungsanspruch. Das Landesarbeitsgericht München hat hierzu keine Feststellung getroffen, sodass das Bundesarbeitsgericht die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG München zurückverwiesen hat.

Kostentragungspflicht im Arbeitsrecht. Gilt dies auch für die außergerichtlichen Kosten eines Rechtsanwalts?

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern | Urteil vom 11.12.2024 | Aktenzeichen 3 SLa87/24

Der Ausschluss der Kostenerstattung gemäß § 12a Abs. 1 Satz 1 Arbeitsgerichtsgesetz betrifft zunächst nur dem Wortlaut nach den prozessualen Kostenerstattungsanspruch. Dies hat zur Folge, dass, anders als in sonstigen zivilgerichtlichen Verfahren, auch die obsiegende Partei ihre Kosten selbst tragen muss.

§ 12a Abs. 1 Satz 1 Arbeitsgerichtsgesetz schließt aber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht nur den prozessualen Kostenerstattungsanspruch aus, auch ein materiell rechtlicher Kostenerstattungsanspruch – zB Anwaltsberatung -, der als Schadensersatzanspruch entstanden ist, wird durch § 12a Abs. 1 Satz 1 Arbeitsgerichtsgesetz ausgeschlossen. Kurz gesagt sind auch die außergerichtlichen Anwaltskosten in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten von dieser Vorschrift mit umfasst. Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn eine der Parteien im arbeitsgerichtlichen Verfahren auch außergerichtlich durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln dazu gezwungen wurde, einen Rechtsanwalt zu beauftragen.

Die Parteien streiten vorliegend um die Verpflichtung der Arbeitgeberin, der Arbeitnehmerin, vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu erstatten. Die Klägerin ist bei der Arbeitgeberin als Erzieherin in einer Kindertageseinrichtung beschäftigt. Im Rahmen der Erbringung der Arbeitsleistung kam es zu einer Verletzung eines Kindes. Mit anwaltlichem Schreiben wurde die Klägerin seitens der Eltern des geschädigten Kindes zur Anerkennung von Schmerzensgeldansprüchen aufgefordert. Die Klägerin wandte sich daraufhin an ihren Rechtsanwalt und nahm eine Erstberatung wahr. In der Folge wandte sich die Klägerin an die Arbeitgeberin, um Hilfe zu erhalten und teilte dieser eine aus ihrer Sicht bestehende Verpflichtung zur Haftungsübernahme mit. Die Beklagte teilte der Klägerin mit, dass sie zunächst abwarten und ruhig bleiben solle. Mittlerweile machte die Unfallkasse Ersatzansprüche gegen die Klägerin geltend, da sie den Schaden nach dortiger Auffassung durch eine grob fahrlässige oder vorsätzliche Handlung verursacht habe. Daraufhin wandte sich die Klägerin an ihren Rechtsanwalt, der für die Klägerin gegenüber der Beklagten tätig wurde. Einige Zeit später erteilte der Haftpflichtversicherer der Beklagten Haftpflichtdeckungsschutz für diesen Fall gegenüber der Klägerin. Die Klägerin begehrt nun vor dem Arbeitsgericht Freistellung von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.275,09 Euro. Das Arbeitsgericht Stralsund hat der Klage vollumfänglich stattgegeben und im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin die bestehende vertragliche Fürsorgepflicht fahrlässig verletzt hat. Dieser Rechtsauffassung hat sich das Landesarbeitsgericht in Mecklenburg-Vorpommern in der Berufungsinstanz nicht angeschlossen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kann eine Kostenübernahme nicht verlangt werden, wenn der Arbeitgeber nur fahrlässig gehandelt hat.

Einsetzung einer Einigungsstelle trotz fehlenden Versuchs einer gütlichen Einigung

Landesarbeitsgericht Hamburg | 2 TaBV 4/23

In mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten kann die Einigungsstelle nur dann angerufen werden, wenn die Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber gescheitert sind. Das Gesetz verlangt in § 74 Absatz 1 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz den vorherigen Versuch einer gütlichen Einigung. Erst dann, wenn diese scheitert, besteht das notwendige Rechtsschutzinteresse, die Einigungsstelle anzurufen. Wie liegt aber der Fall, wenn der Betriebsrat eine vollumfängliche mitbestimmungspflichtige Regelung verlangt, der Arbeitgeber aber nur bereit ist, über einen kleinen Teilbereich einer Betriebsvereinbarung zu verhandeln? Im vorliegenden Fall begehrt der Betriebsrat eine umfängliche Regelung zu Arbeitszeitfragen einschließlich Rufbereitschaften für alle Beschäftigten, wohingegen die Arbeitgeberin nur bereit ist, über einen Teilbereich, und zwar nur für Mitarbeiter bestimmter Bereiche, zu verhandeln. Ist in einem solchen Fall der Betriebsrat gezwungen, von seinem begehrten Regelungsgegenstand abzurücken und sich nur auf den von der Arbeitgeberin angebotenen Teilbereich zu Verhandlungen einzulassen, um der Regelung aus § 74 Betriebsverfassungsgesetz Genüge zu tun, also um eine vorherige gütliche Einigung zu erzielen? Da der Arbeitgeber hier die Einsetzung einer Einigungsstelle ablehnte, begehrte der Betriebsrat im Wege des Einigungsstellenbesetzungsverfahrens die gerichtliche Bestellung der Einigungsstelle. Das Landesarbeitsgericht Hamburg gab dem Betriebsrat hier insoweit recht. Der Betriebsrat muss sich, wie bereits ausgeführt, nicht damit begnügen, nur über einen Teilgegenstand zu verhandeln, sondern kann in diesem Fall die Einigungsstelle auch anrufen, um über die komplette mitbestimmungspflichtige Angelegenheit, hier also die Rufbereitschaft für alle Mitarbeiter zu verhandeln.

Good Night & Good Luck
Ihr, euer Dr. Stephan Grundmann
und Team Arbeitsrecht