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November 2024

„Sie können doch, sie haben das Recht“ – gääähn

„Sie können doch, sie haben das Recht, es steht ihnen zu, warum machen sie denn nicht“, uswusw. Viel zu oft gehörte, volles Programm an der Realität vorbei semmelnde Sätze der Herren Arbeitsrichter (gen. Masku). Was wissen die vom Haifischbecken Betrieb, vom Debattendesaster im Gremium und vor allem: Wie eng die Verzahnung des winzigen dt Betriebes mit den Vorgaben der weitweiten Konzerntätigkeit die Realität ist.

Daher gute Idee:
Drei Monate können Arbeitsrichter in Baden-Württemberg in großen Unternehmen Praktika absolvieren. So sollen die Juristen bessere Einblicke in die Belange der Betriebsparteien bekommen. Ihnen soll so die Möglichkeit eröffnet werden, Einblicke in die Arbeitsweise größerer Unternehmen sowie die Tätigkeit der Betriebsräte zu erlangen, die oftmals als Parteien im arbeitsgerichtlichen Prozess vertreten sind, heißt es vom zuständigen Justizministerium.

Die Umsetzung kann ganz simpel sein: Richter können unter Freistellung und Kostentargung durch das Land für drei Monate den Unternehmen zugewiesen werden, ähnlich einer Abordnung an Gerichte oder in Behörden. Ungefähr je zur Hälfte der Zeit sollen die Juristen in die Personalabteilungen und zu den Betriebsräten.

Bereits 2006 wurde ein ähnliches Projekt umgesetzt. Damals war noch vorgesehen, dass die Richter für sechs Monate in den Unternehmen sind. Dieser Zeitraum hatte sich aber als zu lang herausgestellt.

Derzeit sind in der baden-württembergischen Arbeitsgerichtsbarkeit 117 Richter an neun Arbeitsgerichten und einem LAG tätig, 18 davon sind Proberichter. Von den Proberichtern haben sieben bekundet, dass sie gerne ein Praktikum machen würden.
Beim ersten Durchlauf in 2006 waren die Arbeitsrichter bei der Teilnahme am Betriebspraktikum durchschnittlich bereits 3,8 Jahre am Arbeitsgericht tätig. Fazit derjenigen, die bereits ein Praktikum absolviert haben: „Die Kolleginnen und Kollegen berichteten davon, dass die selbst miterlebte Komplexität von Verhandlungssituationen manche Formulierungen in Betriebsvereinbarung in einem anderen Licht erschienen ließ. Auch sei ihnen durch das Betriebspraktikum bewusster geworden, wie sehr die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeberseite und Betriebsrat von in ‚Jahrzehnten gewachsenen Gepflogenheiten geprägt sein‘ könne und wie stark auch externe Vorgaben, etwa von der Konzernzentrale, die Arbeit in den jeweiligen Unternehmen prägen und beeinflussen“,heißt es.
Ach……..

Ganz ehrlich: M.E. muss jeder Arbeitsrichter mindestens sechs Monate im Unternehmen herumgekommen sein. Denn das Arbeitsgericht ist ein Elfenbeinturm, in dem die Beisitzer nicht immer die wirklichkeitsfernen richterlichen Erkenntnislücken mit Leben füllen können. Näher dran sind immer die Richter, die Betriebsverfassungsrecht schulen oder / und Einigungsstellen machen. Für diese Form der Fortbildung zahlen i.ü. die Unternehmen ;-))). Und: Anwälten geht es ebenso……. Es dauert, bevor man versteht, wie das BetrVG tickt.

Der gierige (?) außertarifliche Angestellte

Bundesarbeitsgericht | Urteil vom 23.10.2024 | Aktenzeichen 5 AZR 82/24

Bevor wir uns mit diesem Fall näher beschäftigen, müssen wir erst einmal klären, wann jemand außertariflich Angestellter ist. Das definiert jeder TV für sich. Nach dem IG Metall Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen ist jemand außertariflich Angestellter, wenn er das Gehalt der höchsten tariflichen Entgeltgruppe regelmäßig überschreitet. Vorliegend klagte ein Entwicklungsingenieur, der laut seinem Arbeitsvertrag außertariflicher Angestellter war. Er erhielt eine monatliche Bruttovergütung von 8.212 Euro. Das höchste tarifliche Entgelt lag zu diesem Zeitpunkt bei 8.210,64 Euro. Unser Entwicklungsingenieur, also der Kläger, war nun der Auffassung, dass ihm ein wesentlich höheres Gehalt zustehe. Seiner Auffassung nach ist man nur dann außertariflicher Angestellter, wenn das Gehalt 23,45 Prozent über demjenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe liegt. Dies ergebe bei ihm also ein Brutto-Monatsgehalt von 10.136,03 Euro. Hier muss man jetzt aber erst einmal verstehen, was unser Kläger denn nun wirklich will. Nach seinem Arbeitsvertrag ist er außertariflicher Angestellter. Sein Gehalt liegt aber nur wenig – 1,36€ – Euro über der höchsten tariflichen Entgeltgruppe. Nach seiner Rechtsauffassung – warum auch immer – müsste er also 23,45 Prozent mehr Gehalt bekommen, weil er nur dann wirklich ein außertariflicher Angestellter ist. Das Bundesarbeitsgericht musste sich also mit der Frage befassen, ob ein außertariflicher Angestellter einen gewissen Mindestabstand vom Gehalt zur höchsten tariflichen Entgeltgruppe haben muss. Dies sah das Bundesarbeitsgericht aber nicht so und bezog sich auf den Wortlaut des Tarifvertrages. Mangels abweichender Festlegungen der Tarifvertragsparteien genügt nach dem eindeutigen Tarifwortlaut jedes und damit auch ein geringfügiges Überschreiten des höchsten tariflichen Entgeltes aus, um ein außertariflich Angestellter zu sein.“ Unser Entwicklungsingenieur hatte also mit seiner Klage keinen Erfolg.

Die anderen wollen dich hier nicht mehr

Landesarbeitsgericht Nürnberg | Urteil vom 12.12.2023 | Aktenzeichen 7 SA 61/23

In diesem Fall geht es um eine sog. Druckkündigung. Doch was ist eine Druckkündigung? Das ernstliche Verlangen Dritter, zum Beispiel anderer Arbeitnehmer oder Kunden, die unter Androhung von Nachteilen vom Arbeitgeber die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers fordern, kann einen Grund im Sinne von § 1 Absatz 2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz für eine sogenannte Druckkündigung (als personenbedingte) darstellen. Die Klägerin, eine Chemielaborantin, war seit 1998 in einem Betrieb mit mehr als zehn Arbeitnehmern beschäftigt. Sie war einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, dass es im Betrieb Konflikte mit anderen Arbeitnehmern gab. Diese Konflikte nahm der Arbeitgeber zum Anlass, während einer krankheitsbedingten Abwesenheit der Klägerin, Kollegen und Vorgesetzte unter anderem danach zu fragen, ob sie sich eine weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin vorstellen könnten und welche Konsequenzen sie in Betracht zögen, falls sie an ihren Arbeitsplatz zurückkehren sollte. Einige der Kollegen wollten eine weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht mehr und äußerten zudem die Vermutung, dass es zu Kündigungen kommen könnte. Diese Aussagen nahm der Arbeitgeber zum Anlass, um nach Zustimmung des Inklusionsamtes im Februar 2022 eine ordentliche Änderungskündigung zu Ende September 2022 auszusprechen. Er schlug der Klägerin vor, ab Oktober 2022 als Coloristin in einer 90 Kilometer entfernten anderen Stadt zu arbeiten. Die Klägerin machte das, was man in diesem Fall immer tun sollte. Sie nahm das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung gemäß § 2 Kündigungsschutzgesetz an und erhob Änderungsschutzklage. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hielt die ausgesprochene Änderungskündigung für unwirksam. Voraussetzungen für eine zulässige Druckkündigung lagen vorliegend nicht vor. Der Arbeitgeber hätte sich hier nicht auf das Kündigungsverlangen der anderen Mitarbeiter einlassen dürfen. Vor der Kündigung muss sich der Arbeitgeber zunächst schützend vor den Betroffenen stellen und alles Zumutbare versuchen, um die Dritten, hier vorliegend die Kollegen, von ihrer Drohung abzubringen. Dies hat der Arbeitgeber vorliegend aber nicht getan, so dass die Kündigungsschutzklage Erfolg hatte.

Egal was kommt, alle die mobil arbeiten oder im Homeoffice sitzen, bekommen die Briefwahlunterlagen zugeschickt

Bundesarbeitsgericht| Beschluss vom 23.10.2024 | Aktenzeichen 7 ABR 34/23

Nun geht es um eine sehr, sehr große Arbeitgeberin, die an mehreren Standorten in Deutschland Kraftfahrzeuge produziert, unter anderem in Wolfsburg. Es muss sich dann hier wohl um V. handeln ;-). Es geht um die letzte Betriebsratswahl im Frühjahr 2022. Und wie das nun einmal so ist, arbeiten bei VW in Wolfsburg ganz viele Menschen mobil oder im Homeoffice. All diesen Menschen, insgesamt rund 26.000 Mitarbeitern, hat der damalige Wahlvorstand die Wahlunterlagen für die schriftliche Stimmabgabe, also für die Briefwahl, direkt und ohne einen entsprechenden Antrag übersandt. Dies ist nach der Wahlordnung auch möglich. Einige andere Mitarbeiter von Volkswagen hielten diese Vorgehensweise aber für nicht rechtmäßig und fochten die Wahl an. Das Bundesarbeitsgericht gab diesen Mitarbeitern Recht. Nach § 24 Absatz 2 Nummer 1 der Wahlordnung erhalten die Unterlagen zur schriftlichen Stimmabgabe, ohne dies zu verlangen, diejenigen Wahlberechtigten, von denen dem Wahlvorstand bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses nicht im Betrieb anwesend sein werden. Und da fallen eben auch Arbeitnehmer, die während der Wahl wegen vorübergehend ausgeübter mobiler Arbeit und wegen Kurzarbeit betriebsabwesend sind. Allerdings konnte das Bundesarbeitsgericht auf der Grundlage der bisher festgestellten Tatsachen nicht beurteilen, ob der Wahlvorstand die Briefwahlunterlagen auch an zur mobilen Arbeit berechtigte Arbeitnehmer übersandt hat, von denen er wusste, dass sie im Wahlzeitraum wegen Unabkömmlichkeit ihre Tätigkeit im Betrieb verrichten. Vereinfacht gesagt, waren am Tag der Wahl wirklich alle 26.000 Angestellten mobil arbeiten oder im Homeoffice oder waren viele von denen an diesem Tag auch im Betrieb. Denn dann hätte man ihnen die Wahlunterlagen nicht zuschicken dürfen. Hierzu ist eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes durch das Landesarbeitsgericht notwendig, so dass das Bundesarbeitsgericht den Fall zurückverwiesen hat. Diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts macht aber auch deutlich, dass es nicht zulässig ist, pauschal allen Mitarbeitern, die mobil arbeiten oder im Homeoffice sind, die Briefwahlunterlagen von Amts wegen zuzuschicken. Vielmehr muss der Wahlvorstand prüfen, ob vereinzelte Mitarbeiter nicht doch am Tag der Wahl im Betrieb arbeiten. Diesen Mitarbeitern darf man die Wahlunterlagen dann nicht zuschicken, ohne dass man Gefahr läuft, dass die Wahl angefochten wird. Wie soll das denn gelingen???

Es kommt darauf an, wo ich wohne

Bundesarbeitsgericht | Urteil vom 01.08.2024 | Aktenzeichen 6 AZR 38/24

Vorliegend geht es um die Frage, ob einem Arbeitnehmer, der seinen regelmäßigen Arbeitsort in Nordrhein-Westfalen hat und ausnahmsweise an einer Fortbildungsveranstaltung in Hessen teilgenommen hat, Anspruch auf Feiertagszuschlag hat. Wichtig hierbei ist zu wissen, dass die Fortbildung unter anderem am 1. November 2022 stattfand. Der 1. November ist in Nordrhein-Westfalen aber ein Feiertag, nämlich Allerheiligen. In Hessen dagegen ist der 1. November kein Feiertag. Der Kläger unterliegt dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder, wonach sich der Anspruch auf Feiertagszuschläge danach orientiert, ob am regelmäßigen Beschäftigungsort ein gesetzlicher Feiertag ist. Regelmäßiger Beschäftigungsort unseres Angestellten ist Nordrhein-Westfalen. Damit hätte er am 1. November, also Allerheiligen, nicht arbeiten müssen, hat aber in der Zeit vom 1. bis 5. November 2021 an einer Fortbildungsveranstaltung in Hessen teilgenommen. Mit seiner Klage begehrte er die Zahlung von Feiertagszuschlägen, welche ihm das Bundesarbeitsgericht auch zusprach. Diese Entscheidung ist insofern auch für Mitarbeiter wichtig, die im Homeoffice arbeiten. Im Homeoffice ist der regelmäßige Arbeitsort der Wohnsitz des Arbeitnehmers. Wohnt der Homeoffice Mitarbeiter zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen und erbringt am 1. November, also Allerheiligen, Arbeitsleistungen in Hessen, könnte er Anspruch auf einen Feiertagszuschlag haben.

Ich hatte keine Pause, ich habe immer auf die Monitore geschaut

Bundesarbeitsgericht | Urteil vom 21.08.2024 | 5 AZR 266/23

So behauptet es zumindest ein im Dreischichtsystem arbeitender Arbeitnehmer. Seine gesetzlich vorgeschriebenen Pausen verbrachte der Arbeitnehmer in der Kantine. An den Wänden in der Kantine hingen Monitore, auf denen man erkennen konnte, wenn Anlagen einen Störfall hatten. Und auf diesen Aspekt beruft sich der Kläger bei seiner Klage. Er trug vor, dass er sich durch diese Monitore, während seiner Pause in einer Daueralarm-Bereitschaft befunden habe, allein die Möglichkeit, dass der sich dort befindende Monitor durch Aufblinken einen Störfall an einer Maschine anzeigt und er von einem Vorgesetzten hätte gebeten werden können, seine Pause zu unterbrechen, habe ihn in eine permanente Hab-Acht-Stellung versetzt, die dem Erholungseffekt der Pause entgegengestanden hätte. Aus diesem Grund habe er tatsächlich nie wirklich Pause gehabt und verlangte nunmehr, diese Pausen zu vergüten. Insgesamt handelt es sich hierbei um 903,31 Euro. Das Bundesarbeitsgericht konnte dieser Rechtsauffassung des Klägers aber nicht folgen. Verlangen betriebliche Erfordernisse eine flexible Festlegung der Pausen, ist der in § 4 Satz 1 Arbeitszeitgesetz vorgesehenen Anforderung „des im Voraus feststehend“ auch dann genügt, wenn der Arbeitnehmer jedenfalls zu Beginn der Pause weiß, dass und wie lange er nunmehr zum Zwecke der Erholung Pause hat und frei über die Nutzung dieses Zeitraums verfügen kann. Im vorliegenden Fall hat der Kläger nicht einmal ansatzweise Tatsachen vorgetragen, die die Annahme rechtfertigen könnten, er habe seine Pausen zwingend in der Kantine und dort mit Blick auf den Monitor verbringen müssen und ihm seien für die dort verbrachten Pausenzeiten von der beklagten Einschränkungen von solcher Art auferlegt worden, dass sie seine Möglichkeit die Zeit frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigten. Entsprechende Anweisungen der Arbeitgeberin hat der Kläger nicht nur nicht vorgetragen, vielmehr in der Berufungsverhandlung zu Protokoll erklärt, es habe weder eine Verpflichtung bestanden sich während der Pause in der Kantine aufzuhalten, noch sei er im Fall einer am Monitor angezeigten Störung verpflichtet gewesen, dass er von selbst an der Maschine erscheine. Aus diesem Grund konnte das Bundesarbeitsgericht nicht davon ausgehen, dass der Kläger sich in seiner Pause nicht erholen konnte und hat folgerichtig die Berufung zurückgewiesen.

Die Zeiten für die Corona-Selbsttests will ich bezahlt haben

Landesarbeitsgericht Niedersachsen | Urteil vom 6.9.2024 | Aktenzeichen 14 SA 348/23

Hier streiten sich die Parteien über die Vergütungspflicht der Arbeitgeberin für von der Klägerin aufgewendete Zeiten zur häuslichen Durchführung von Corona-Tests. Wir schreiben das Jahr 2021 und 2022. In dieser Zeit galt in Deutschland die 3G-Regel am Arbeitsplatz. Hiervon war auch die Klägerin betroffen. Die Klägerin war bei der Beklagten, die eine ambulante Kinderkrankenpflege betreibt, in der Zeit vom 01.11.2020 bis zum 31.03.2022 als examinierte Gesundheits- und Krankenkinderpflegerin zur Betreuung eines körperlich und geistig eingeschränkten und immungeschwächten Kindes beschäftigt. Die Klägerin betreute dieses Kind zu Hause und in der Schule. Die Klägerin führte in dieser Zeit 95 Corona-Selbsttests durch. Hierzu erhielt sie von der beklagten Testmaterial und war gehalten, den Test auf Formularen der Beklagten zu dokumentieren. Nach Angaben der Arbeitgeberin vor dem eigentlichen Test das Formular jeweils abzufotografieren und zunächst per E-Mail und abschließend das Original per Post an die Beklagte zu senden. Die Klägerin verlangte nunmehr Vergütung für die insgesamt 95 durchgeführten Tests. Hierzu trug sie vor, dass sie für jeden Test etwa eine halbe Stunde Zeit aufgewendet habe. Die Klägerin vertrat dabei die Auffassung, dass die aufgebrachte Testzeit vergütungspflichtige Arbeitszeit gewesen wäre und verglich den Fall mit dem Tragen von unabdinglicher Schutzkleidung. Diese Auffassung konnte das Landesarbeitsgericht Niedersachsen aber nicht folgen. Bei den Zeiten für den Selbsttest handelt es sich nicht um vergütungspflichtige Arbeitszeiten im Sinne des § 611a Absatz 2 BGB, denn die Arbeitgeberin habe der Klägerin nicht aufgrund ihres arbeitsvertraglichen Weisungsrechts Tätigkeiten abverlangt, welche als Arbeitszeit anzusehen wären, sondern sie sei staatlichen Vorgaben gefolgt, die sowohl von ihr als Arbeitgeberin, auch von der Klägerin als Arbeitnehmerin im streitgegenständlichen Zeitraum einzuhalten waren. Der Klägerin sei es im streitgegenständlichen Zeitraum untersagt gewesen, ihre Arbeit überhaupt anzutreten, bevor sie nicht einen negativen Corona-Test nachweisen konnte. Damit diente die Durchführung der Tests nicht ausschließlich einem fremden Bedürfnis, sondern auch einem eigenen Bedürfnis, denn ansonsten hätte die Klägerin gar nicht arbeiten dürfen. Aus diesem Grund hatte die Klage keinen Erfolg.

Alarm bei der Mühlheimer Feuerwehr

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen | Urteile vom 30.09.2024 | Aktenzeichen 6 A 856/23 und 6 A 857/23

Ist Alarmbereitschaft vergütungspflichtige Arbeitszeit? Dies hat das Oberverwaltungsgericht in Nordrhein-Westfalen bejaht und beruft sich dabei auf Europa-Recht. Alarmbereitschaften bei der Feuerwehr sind in vollem Umfang als Arbeitszeit einzustufen. Geklagt hatten vorliegend zwei Feuerwehrmänner aus Mühlheim. Die beiden Männer forderten, dass Alarmbereitschaft als normale Arbeitszeit anerkannt wird. Alarmbereitschaftszeiten werden als 24-Stunden-Dienste geleistet. Dabei ist kein bestimmter Aufenthaltsort vorgegeben. Im Alarmierungsfall müssten die Feuerwehrmänner allerdings in maximal 90 Sekunden mit dem Dienstfahrzeug ausrücken. Die Einstufung als Arbeitszeit begründet sich dabei im Wesentlichen aus den gravierenden Einschränkungen für die Zeitgestaltung der Kläger während der Dienste, die aus dieser kurzen Reaktionszeit resultieren, so das Oberverwaltungsgericht in Nordrhein-Westfalen. Dadurch, dass die Rufbereitschaft nun als Arbeitszeit eingestuft wurde überschritten die Feuerwehrmänner seit Jahren die zulässige wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden. Die Kläger hatten deshalb einen Entschädigungsanspruch.

Schadensersatzanspruch bei Auskunftsverweigerung

Bundesarbeitsgericht | Urteil vom 20.06.2024 | Aktenzeichen 8 AZR 124/23

Im vorliegenden Fall führten Arbeitgeberin und Arbeitnehmerin erfolglose Gespräche über die Aufhebung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses. Die Klägerin, also die Arbeitnehmerin, begehrte danach Auskunft über die Verarbeitung personenbezogener Daten nach Artikel 15 Absatz 1 Datenschutz-Grundverordnung sowie eine Kopie dieser Daten nach Artikel 15 Absatz 3 Datenschutz-Grundverordnung. Die Arbeitgeberin lehnte diese Auskunft aber ab. Die Arbeitnehmerin hat sodann gerichtlich die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin sei wegen der Nichterfüllung des Auskunftsanspruch zur Leistung von immateriellem Schadensersatz verpflichtet. Die Arbeitnehmerin habe wegen der Verweigerung der Auskunft keinerlei Möglichkeit der Überprüfung der Datenverarbeitung gehabt. Dieser Kontrollverlust sei spürbar und erheblich. Das Bundesarbeitsgericht musste sich in letzter Instanz mit der Frage befassen, ob der Arbeitnehmerin ein Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens gemäß Artikel 82 Datenschutz-Grundverordnung zusteht. Ein ersatzfähiger Schaden komme zwar bei bestehender und begründeter Sorge um einen Datenmissbrauch in Betracht, so das Bundesarbeitsgericht, konnte einen solchen Schaden im vorliegenden Fall aber nicht erkennen. Die Klägerin habe zwar ihre aus Unkenntnis der Datenverarbeitung resultierenden Befürchtungen unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Solche Befürchtungen legen bei einer nicht oder unvollständig enthaltenen Auskunft jedoch in der Natur der Sache. Die Nichterfüllung eines Auskunftsanspruch löse geradezu zwangsläufig die Sorge eines Verstoßes gegen sonstige Verpflichtungen aus der Datenschutz-Grundverordnung aus. Wäre das Berufen auf solche Befürchtungen jedoch für die Annahme eines Schadens bereits ausreichend, würde jeder Verstoß gegen Artikel 15 Datenschutz-Grundverordnung praktisch in jedem Fall zu einem immateriellen Schaden führen. Für die Darlegung eines Schadens reicht es nach dem Bundesarbeitsgericht nicht aus, wenn die Klägerin die Hervorhebung besonderer Spannungen mit dem Auskunftsverpflichteten vorträgt. Die Klägerin verweise zwar nachvollziehbar darauf, dass die Beklagte die Erteilung einer Auskunft zunächst vorsätzlich verweigert habe, damit werde aber kein immaterieller Schaden belegt. Es verbleibe bei der grundsätzlichen Ungewissheit. Somit blieb die Klage erfolglos.

Du hast meine Gesundheitsdaten ausgeforscht

Bundesarbeitsgericht | Urteil vom 25. 7.2024 | 8 AZR 225/23

Im vorliegenden Fall ließ ein Arbeitgeber seinen Mitarbeiter durch einen Detektiv überwachen. Der Arbeitgeber hatte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit seines Arbeitnehmers und beauftragte aus diesem Grund einen Detektiv, damit dieser nun herausfindet, ob der Mitarbeiter wirklich arbeitsunfähig ist. Im Nachhinein hörte der Arbeitgeber den Mitarbeiter zum Vorwurf der vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit an. Der Arbeitnehmer argumentierte, die beobachteten Tätigkeiten hätten den Genesungsprozess nicht behindert. Er verlangte nunmehr vom Arbeitgeber die Zahlung eines Schmerzensgeldes, weil der Arbeitgeber gegen die Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung verstoßen habe. Die Überwachung stellt nach Ansicht des Arbeitnehmers einen schwerwiegenden Eingriff in seine Privatsphäre dar, weil die Detektive ihn nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch im Eingangsbereich seines Hauses und auf seiner Terrasse beobachtet hätten. Das Bundesarbeitsgericht verurteilte den Kläger zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1500 Euro. Der Kläger habe durch die rechtswidrige Observation einen immateriellen Schaden im Sinne von Artikel 82 Absatz 1 Datenschutz-Grundverordnung erlitten. Die Observation durch den Detektiv, mit der ohne Einwilligung des Arbeitnehmers dessen Gesundheitsdaten verarbeitet wurden, war nach Auffassung des Senats nicht erforderlich. Der Arbeitgeber konnte nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts auch keine Umstände nachweisen, die Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ergaben. Somit sei der Beweiswert der vom Mitarbeiter vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht erschüttert gewesen.

Good Night & Good Luck
Ihr, euer Dr. Stephan Grundmann
und Team Arbeitsrecht