Ein Mitarbeiter stritt mit seiner Arbeitgeberin über Schadensersatz wegen entgangener erfolgsabhängiger variabler Vergütung für das Jahr 2020. Der Mitarbeiter war seit 2020 bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthielt u. a. folgende Regelung:
4.2 Der Mitarbeiter kann darüber hinaus eine erfolgsabhängige variable Vergütung („Tantieme“) erzielen. Die jährliche Tantieme beträgt maximal EUR 180.000,- brutto … Die Festlegung einer Tantieme und deren Höhe hängen von dem Erreichen von Zielen ab, deren drei wesentliche Kriterien jedes Jahr, erstmals zum Ende der Probezeit, zwischen dem Mitarbeiter und der Gesellschaft vereinbart werden. Sollten die drei Kriterien nicht zwischen dem Mitarbeiter und der Gesellschaft vereinbart werden, werden diese seitens der Gesellschaft nach billigem Ermessen vorgegeben. Die Tantieme wird je nach Erreichungsgrad der vereinbarten oder vorgegebenen Ziele durch den Arbeitgeber nach seinem Ermessen fixiert. Im Falle des Ein- oder Austritts während eines Kalenderjahres wird eine eventuelle Tantieme zeitanteilig, gerechnet nach Kalendermonaten und für Teile von Kalendermonaten nach Kalendertagen, ausgezahlt. Ein Rechtsanspruch auf eine Tantieme besteht nicht. Wird dem Mitarbeiter eine Tantieme gewährt, erfolgt dies freiwillig mit der Maßgabe, dass auch durch eine wiederholte Zahlung kein Rechtsanspruch, weder dem Grunde noch der Höhe nach, weder für die Vergangenheit noch die Zukunft, begründet wird.“
Ab Juni 2020 kam es zu Unstimmigkeiten zwischen dem Mitarbeiter und der Arbeitgeberin und letztlich scheiterte eine Einigung über eine Zielvereinbarung. Die Arbeitgeberin kündigte an, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, die Ziele nach billigem Ermessen einseitig festzulegen. Der Mitarbeiter schied zum Ende des Jahres aus dem Unternehmen aus. Eine Tantieme zahlte ihm die Arbeitgeberin nicht.
Der Mitarbeiter vertrat die Auffassung, die Arbeitgeberin sei ihm zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie nicht berechtigt gewesen sei, die Ziele einseitig vorzugeben. Er klagte daher auf Schadensersatz in Höhe der entgangenen Tantieme, die er mit 97.000 EUR bezifferte. Die Arbeitgeberin vertrat die Auffassung, der Mitarbeiter habe keinen Anspruch auf Schadensersatz, weil sie berechtigt gewesen sei, die Ziele nach billigem Ermessen vorzugeben. Der Arbeitsvertrag setze für eine ersatzweise Zielvorgabe allein voraus, dass Ziele nicht vereinbart worden seien. Auf die Gründe hierfür komme es nicht an.
Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer Recht.
Der Mitarbeiter hatte gegen die Arbeitgeberin nach § 280 Abs. 1, 3 iVm. § 283 Satz 1, § 252 Bürgerliches Gesetzbuch Anspruch auf Schadensersatz wegen ihm entgangener erfolgsabhängiger variabler Vergütung für das Kalenderjahr 2020 in Höhe von 82.600 EUR. Die Arbeitgeberin hatte schuldhaft ihre nach § 4.2 Satz 3 des Arbeitsvertrags bestehende Pflicht verletzt, mit dem Mitarbeiter eine Zielvereinbarung abzuschließen. Deren Ersetzung durch eine einseitige Zielvorgabe war nicht zulässig.
Die Arbeitgeberin war trotz Scheiterns einer diesbezüglichen Vereinbarung nicht berechtigt gewesen, dem Mitarbeiter einseitig Ziele vorzugeben. § 4.2 Satz 4 des Arbeitsvertrags hielt einer sog. Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB nicht stand. Die Regelung benachteiligt den Mitarbeiter unangemessen und ist somit unwirksam.
Die Unwirksamkeit von § 4.2 Satz 4 des Arbeitsvertrags führte nach § 306 Abs. 1 BGB zum ersatzlosen Wegfall der Bestimmung über die Zielvorgabe, wobei alle übrigen Bestimmungen wirksam bleiben. Dies hatte zur Folge, dass allein die Grundsätze über die Durchführung und das Scheitern einer Zielvereinbarung anzuwenden waren.
Die Arbeitgeberin hatte ihre Pflicht aus § 4.2 Satz 3 des Arbeitsvertrags, mit dem Mitarbeiter Verhandlungen über eine Zielvereinbarung zu führen und eine solche abzuschließen, schuldhaft verletzt. Sie hatte trotz entsprechender Aufforderung durch den Mitarbeiter mit diesem keine Verhandlungen geführt, die den Abschluss einer Zielvereinbarung, für die im ersten Beschäftigungsjahr maßgebliche Zielperiode ermöglicht hätte. Die Arbeitgeberin hatte dem Mitarbeiter zwar schriftlich ihre Zielvereinbarungsvorstellungen übermittelt und erklärt, sie sei bereit, sich mit dem Mitarbeiter direkt auszutauschen, sofern zu ihren Zielvorstellungen noch Rücksprachebedarf bestehe. Sie hatte jedoch – im Widerspruch zu ihrer Ankündigung – keine Bemühungen um eine einvernehmliche Festlegung der Ziele unternommen, nachdem der Mitarbeiter seine abweichenden Zielvorstellungen mitgeteilt und um Rückmeldung gebeten hatte. Vielmehr hatte sie Ziele sodann einseitig vorgegeben.
Der Verstoß gegen die arbeitsvertraglich geregelten Pflichten zum Abschluss von Zielvereinbarungen begründet hier also den Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers.